4.5.6 Einreichung neuer Anträge – außergewöhnliche Umstände verneint
In T 2778/17 argumentierte der Beschwerdeführer (Anmelder), dass eine Reaktion auf die vorläufige Auffassung der Kammer möglich sein sollte. Aus Gründen der Verfahrensökonomie wäre es nicht sachdienlich, im Voraus eine Vielzahl von Hilfsanträgen einzureichen, ohne die Meinung der Kammer zu kennen. Die Kammer stimmte dem nicht zu. Sie wies darauf hin, dass das Grundprinzip für die dritte Stufe des Konvergenzansatzes darin besteht, dass in dieser Phase des Verfahrens Änderungen des Beschwerdevorbringens eines Beteiligten nicht mehr berücksichtigt werden und dass nur eine begrenzte Ausnahme vorgesehen ist. Die Kammer konnte keine außergewöhnlichen Umstände erkennen, die der Beschwerdeführer mit stichhaltigen Gründen gerechtfertigt hätte. Der Beschwerdeführer hatte lediglich erklärt, dass er es für wünschenswert und gerechtfertigt hielt, seine Anträge zu ändern, nachdem ihm die vorläufige Auffassung der Kammer in der Sache zur Verfügung gestellt wurde. Er hatte nicht argumentiert, dass der Klarheitseinwand von der Kammer erstmalig erhoben worden war oder dass es nicht möglich gewesen war, die geänderten Ansprüche mit der Beschwerdebegründung einzureichen.
In T 689/15 wurde die Anmeldung u. a. deshalb zurückgewiesen, weil der Gegenstand von Anspruch 1 des damals ersten Hilfsantrags nicht erfinderisch gegenüber den kombinierten Offenbarungen der Dokumente D1 und D2 war. Die Bewertung der erfinderischen Tätigkeit durch die Kammer in ihrer vorläufigen Einschätzung basierte auf denselben Dokumenten, und die Kammer ermittelte denselben nächstliegenden Stand der Technik (D1). Doch die Kammer erkannte nur einen Unterschied zu D1, während die Prüfungsabteilung zwei Unterschiede erkannt hatte. Daher bestimmte die Kammer eine objektive technische Aufgabe, die weniger weit gefasst war als die von der Prüfungsabteilung definierte. Allerdings bestätigte die Kammer die Einschätzung der Prüfungsabteilung, dass der Fachmann die Lehre von D2 im aus D1 bekannten Verfahren umsetzen würde. Deshalb war die Kammer nicht überzeugt, dass sich die in ihrer vorläufigen Einschätzung dargelegten Argumente von den in der angefochtenen Entscheidung dargelegten Argumenten so weit unterschieden, dass sie eine ganz neue Argumentationslinie darstellten. Folglich sah die Kammer keine außergewöhnlichen Umstände, die die Zulassung des Hilfsantrags im Verfahren gerechtfertigt hätten.
In ähnlicher Weise entsprach in T 2279/16 die Kombination von Dokumenten, auf die sich der Einwand gegen die erfinderische Tätigkeit stützte, den die Kammer in ihrer vorläufigen Einschätzung erhob, exakt der, die zur Zurückweisung der Anmeldung geführt hatte, weshalb dies kein neuer Einwand der Kammer war (auch wenn die Begründung der Kammer bei bestimmten Einzelheiten etwas anders ausfiel). Die Kammer erkannte keine außergewöhnlichen Umstände.
Siehe auch die folgenden Fälle, bei denen nach Ansicht der Kammer in ihrer vorläufigen Einschätzung kein neuer Einwand erhoben wurde, der die Einreichung neuer Anträge gerechtfertigt hätte: T 14/20 (Mitteilung nach Art. 15 (1) VOBK 2020 enthielt keine neue Argumentationslinie, da die Prüfungsabteilung ihrer Beurteilung bereits das gleiche Verständnis der fraglichen Merkmale und Definitionen zugrunde gelegt hatte), T 1080/15 (von der Kammer erhobener Einwand war lediglich eine Weiterentwicklung des ursprünglich von Prüfungsabteilung erhobenen Einwands), T 597/16 (Bemerkungen der Kammer im Einklang mit der angefochtenen Entscheidung; Änderung stand nicht in Zusammenhang mit den Anmerkungen der Kammer zur Klarheit), T 2486/16 (Kammer wich zwar bei einigen Punkten von der Begründung der Prüfungsabteilung zur erfinderischen Tätigkeit ab, gelangte jedoch zum selben Ergebnis), T 1294/16 (Kammer führte D7 als Beweis dafür an, dass ein Argument der Prüfungsabteilung auf allgemeinem Fachwissen basierte; außergewöhnliche Umstände jedoch aus anderen Gründen anerkannt, s. Kapitel V.A.4.5.5 j)), T 167/17 (Kammer erklärte lediglich, detailliert und durch Hervorhebung aller maßgeblichen Aspekte, warum sie vorläufig der Meinung war, dass sich die Prüfungsabteilung nicht geirrt hatte, als sie befand, dass der Hauptantrag die Erfordernisse von Art. 76 (1) EPÜ nicht erfüllte).
- T 599/21
Catchword:
Using a passage of the description to interpret a term in the claims does not constitute an "exceptional circumstance" which could justify amendments to the appeal case in the present case (see reasons point 5).
- Sammlung 2023 “Abstracts of decisions”