5. Mündliche Ausführungen einer Begleitperson
Im Verfahren J 11/94 (ABl. 1995, 596) erschien der zugelassene Vertreter in der mündlichen Verhandlung in Begleitung eines früheren Vorsitzenden der Juristischen Beschwerdekammer, der etwa eineinhalb Jahre zuvor in den Ruhestand getreten war. Der zugelassene Vertreter bat, dem ehemaligen Kammermitglied Ausführungen in Ergänzung seines eigenen Vortrags zu gestatten. Bei dem daraufhin der Großen Beschwerdekammer vorgelegten Fall ging es unter anderem um die Frage, ob die Kammer bei der Ausübung ihres Ermessens im Falle eines Antrags auf Zulassung mündlicher Ausführungen eines früheren Kammermitglieds besondere Kriterien anlegen muss.
Die Große Beschwerdekammer stellte in G 2/94 (ABl. 1996, 401) fest, dass ein potenzieller Konflikt besteht zwischen dem eigentlich berechtigten Wunsch ehemaliger Kammermitglieder, in ihrer späteren Tätigkeit ihre Fachkenntnisse zu nutzen, indem sie in Verfahren vor dem EPA mündliche Ausführungen machen, und dem Erfordernis, dass bei der Durchführung von Verfahren vor dem EPA jegliche Besorgnis der Befangenheit zu vermeiden ist. Dass es einen solchen Konflikt gibt und wie die Lösung aussehen könnte, zeigen die nationalen Rechtsordnungen deutlich auf. Nach der dortigen Regelung wissen Personen, die die Berufung in das Richteramt annehmen, von vornherein, dass eine spätere Tätigkeit als Rechtsanwalt nach ihrem Ausscheiden gewissen Einschränkungen unterliegt. Die Kammer hielt abschließend fest, dass der oben angeführte potenzielle Konflikt dadurch gelöst werden muss, dass bei der Durchführung von Verfahren vor dem EPA jegliche Besorgnis der Befangenheit vermieden wird. Dem öffentlichen Interesse an der ordnungsgemäßen Durchführung von Verfahren vor dem EPA ist Vorrang einzuräumen vor dem persönlichen Interesse ehemaliger Kammermitglieder, die im Namen von Verfahrensbeteiligten mündliche Ausführungen machen möchten.
Deshalb muss die Zulässigkeit solcher mündlichen Ausführungen – zumindest während eines angemessenen Zeitraums nach dem Ausscheiden des Kammermitglieds – gewissen Einschränkungen unterliegen. Solange eine konkrete Rechtsvorschrift fehlt, steht es im richterlichen Ermessen der Beschwerdekammern, den Zeitpunkt nach dem Ausscheiden zu bestimmen, nach dem es einem ehemaligen Kammermitglied gestattet ist, in Verfahren vor Beschwerdekammern mündliche Ausführungen zu machen. Die Große Beschwerdekammer befand, dass eine Beschwerdekammer ihre Zustimmung zu mündlichen Ausführungen eines ehemaligen Kammermitglieds in einer vor ihr stattfindenden mündlichen Verhandlung sowohl in Inter-partes- als auch in Ex-parte-Verfahren versagen soll, es sei denn, sie wäre völlig davon überzeugt, dass das Ausscheiden des ehemaligen Mitglieds aus der Beschwerdekammer so lange zurückliegt, dass eine Befangenheit der Beschwerdekammer in dieser Sache vernünftigerweise nicht zu besorgen ist, wenn sie ein solches mündliches Vorbringen gestattet.
Nach Ablauf von drei Jahren soll die Zustimmung erteilt werden, sofern keine außergewöhnlichen Umstände vorliegen.
In T 585/06 ging es um die Anwesenheit eines als Berater des Patentinhabers fungierenden ehemaligen Mitglieds der Beschwerdekammern in der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung. Das ehemalige Mitglied handelte nicht als bevollmächtigter Vertreter, sondern lediglich als Berater des Patentinhabers. Er richtete nicht das Wort an die Einspruchsabteilung. Dies sei ein wichtiger Unterschied zum Sachverhalt in der Sache G 2/94.