4.3. Begriff der "Verspätung"
In T 628/14 erinnerte die Kammer daran, dass R. 116 (1) EPÜ gemäß der ständigen Rechtsprechung nicht als Aufforderung zur Einreichung neuer Beweismittel oder sonstiger Unterlagen ausgelegt werden dürfe, die vom rechtlichen und faktischen Rahmen der Fragen und Begründungen abweichen, wie sie mit der Einspruchsschrift vorgebracht wurden (mit Verweis auf T 39/93, ABl. 1997, 134). Auch die Tatsache, dass die Einspruchsabteilung in ihrem Bescheid eine vorläufige Meinung geäußert hatte, rechtfertige nicht notwendigerweise das Einreichen neuer Beweismittel, sofern dies nicht als Reaktion auf neue, im Bescheid erhobene Einwände erfolge.
In T 66/14 wies die Kammer darauf hin, dass nach der Rechtsprechung der Kammern Beweismittel, die vom Einsprechenden erst nach Ablauf der Neunmonatsfrist nach Art. 99 (1) EPÜ vorgebracht werden, grundsätzlich als verspätet im Sinne von Art. 114 (2) EPÜ angesehen werden. Der Wortlaut von R. 116 (1) Satz 4 EPÜ ist dabei nicht so zu verstehen, dass mit der Ladung zur mündlichen Verhandlung eine neue Frist in Gang gesetzt werde, innerhalb der neue Beweismittel eingereicht werden könnten, welche dann nicht als "verspätet" im Sinne von Art. 114 (2) EPÜ zu werten seien (T 841/08). In besonderen Fällen können aber Gründe vorliegen, die das Vorbringen von Beweismitteln seitens des Einsprechenden erst nach dem Ablauf der Neunmonatsfrist nach Art. 99 (1) EPÜ rechtfertigen, sodass diese nicht als verspätet im Sinne von Art. 114 (2) EPÜ anzusehen sind (T 532/95). Insbesondere sind neue Beweismittel, die nach dem Zeitpunkt gemäß R. 116 (1) EPÜ eingereicht werden, zum Verfahren zuzulassen, wenn eine Änderung des dem Verfahren zugrunde liegenden Sachverhalts vorliegt.