5.5.1 Sorgfaltspflicht des Anmelders
In T 1477/17 hielt die Kammer fest, dass von einem Laien grundsätzlich nicht dieselbe Sorgfalt erwartet wird wie von einem zugelassenen Vertreter, wenn es um Korrespondenz in Patentsachen geht, da von einem Laien nicht derselbe Wissensstand erwartet werden kann. Je nach den Umständen könnte deshalb ein Irrtum, der einem Laien unterläuft, entschuldbar sein, derselbe Irrtum bei einem zugelassenen Vertreter aber nicht. Dennoch ist auch ein Laie in Angelegenheiten, für die er Verantwortung übernommen hat, zur gebotenen Sorgfalt verpflichtet und muss alle Handlungen vornehmen, die vernünftigerweise von einer gewissenhaften Person erwartet werden können.
In J 22/92 befand die Juristische Kammer, der Anmelder, der für die PCT-Anmeldung amerikanische Patentvertreter bestellt hatte, habe glauben dürfen, dass diese Mitteilung in Kopie auch an seine amerikanischen Vertreter gegangen sei. Die Kammer verwies auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und stellte fest, dass der Verlust der Patentanmeldung eine äußerst schwerwiegende Rechtsfolge für ein Verhalten wäre, das man schlimmstenfalls als kleineren Verfahrensfehler werten könne. In der betreffenden Sache gehe es nicht um die Sorgfalt, die bei einem zugelassenen Vertreter vorauszusetzen sei, sondern um die Sorgfalt, die man von einem mit dem Verfahren nicht vertrauten Anmelder erwarten dürfe.
In T 2120/14 bestätigte die Kammer, dass die Feststellung der Prüfungsabteilung bezüglich der mangelnden Sorgfalt des Anmelders unter den Umständen gerechtfertigt war, unter denen die Wahrung einer Frist von einer einzigen Person abhängig war, die angesichts ihrer hohen Arbeitsbelastung und häufigen Reisen nicht die notwendigen Vorkehrungen getroffen hatte, um im Falle ihrer Verhinderung durch rechtzeitige Anweisungen die Wahrung der Frist sicherzustellen. Nach Auffassung der Kammer ergab sich aus den Vorarbeiten zu Art. 122 EPÜ, dass die Möglichkeit, ein fahrlässiges Verschulden eines Angestellten zu entschuldigen, der seine Arbeit gewöhnlich zufriedenstellend erledigt, nicht auf den Anmelder oder seinen zugelassenen Vertreter übertragen werden kann (s. R 18/13). Im vorliegenden Fall hatte es die Führungskraft der Gesellschaft, die für den Beschwerdeführer tätig war, an der gebotenen Sorgfalt fehlen lassen.