5. Stützung durch die Beschreibung
Nach Art. 84 EPÜ müssen die Patentansprüche von der Beschreibung gestützt sein. Dies bedeutet, dass der Gegenstand des Anspruchs aus der Beschreibung ableitbar sein muss und dass nichts beansprucht werden darf, was nicht beschrieben ist.
In T 133/85 (ABl. 1988, 441) war die Kammer der Auffassung, dass ein Anspruch, der ein in der Anmeldung (bei richtiger Auslegung der Beschreibung) als für die Erfindung wesentlich beschriebenes Merkmal nicht enthält und deshalb mit der Beschreibung nicht übereinstimmt, nicht im Sinne von Art. 84 EPÜ 1973 von der Beschreibung gestützt ist. Dieser Grundsatz wird in ständiger Rechtsprechung von den Kammern angewandt, s. unter anderem T 409/91 (ABl. 1994, 653), T 939/92, T 322/93, T 556/93, T 583/93, T 659/93, T 482/95, T 616/95, T 586/97, T 687/98, T 1076/00, T 637/03, T 1399/17. Das Erfordernis der Angabe aller wesentlichen Merkmale wird allerdings teilweise aus unterschiedlichen Bestimmungen des Art. 84 EPÜ abgeleitet (s. auch dieses Kapitel II.A.3.2.). In T 2049/10 befand die Kammer, dass ein "fehlendes wesentliches Merkmal" ausdrücklich keine Frage der Klarheit, sondern der Stützung durch die Beschreibung ist (beide enthalten in Art. 84 EPÜ).
Viele Kammern betonen zudem, dass durch das Erfordernis der Stützung der Ansprüche durch die Beschreibung sichergestellt werden soll, dass der durch den Inhalt der Patentansprüche bestimmte Schutzbereich eines Patents dem technischen Beitrag entspricht, den die tatsächlich offenbarte Erfindung zum Stand der Technik leistet (s. T 409/91, ABl. 1994, 653; T 435/91, ABl. 1995, 188; T 1055/92, ABl. 1995, 214; T 659/93; T 825/94; T 586/97; T 94/05; T 1217/05; T 1694/12; T 809/12). Deshalb müssen die Ansprüche den effektiven Beitrag zum Stand der Technik so wiedergeben, dass sie vom Fachmann im gesamten von ihnen abgedeckten Bereich ausgeführt werden können (s. T 659/93, T 94/05). Eine rein formale Stütze in der Beschreibung, also die wortwörtliche Wiedergabe eines Anspruchsmerkmals, kann diesen Anforderungen nach dieser Auffassung nicht genügen (T 94/05, die im nächsten Abschnitt zusammengefasst ist; s. auch T 127/02, T 1048/05, T 758/13, T 2483/16). Nach anderer Ansicht ergibt sich jedoch aus den vorbereitenden Dokumenten, dass das Erfordernis der Stützung der Ansprüche während der in den verschiedenen Entwürfen wiedergegebenen Beratungen eher als eine formale Frage betrachtet wurde, mit der ein einheitlicher Umfang von Beschreibung und Ansprüchen sichergestellt werden sollte (T 1020/03, ABl. 2007, 204). In diesem Fall folgerte die Kammer daraus, dass Art. 84 EPÜ 1973 nicht dazu herangezogen werden könne, um einen Anmelder zu zwingen, den Umfang seiner auf eine erste oder weitere medizinische Verwendung gerichteten Ansprüche einzuschränken, wenn diese im Vergleich zu der in der Beschreibung offenbarten Verwendung für zu breit erachtet würden. Wieder andere Entscheidungen prüfen beide Aspekte (s. z. B. T 297/05).
In T 695/16 stellte die Kammer fest, dass kennzeichnende Merkmale a und b von Anspruch 1 für den Fachmann klar seien, d. h. ihre strukturelle Form, ihre Funktion und ihre Wechselbeziehung seien klar. Die Beschreibung enthalte zumindest eine wörtliche Wiederholung der kennzeichnenden Merkmale von Anspruch 1. Damit seien die besagten Merkmale auch in der Beschreibung in klarer Weise offenbart, sodass der Wortlaut des Anspruchs 1 dadurch gestützt sei und der Umfang der Ansprüche nicht über den durch die Beschreibung gerechtfertigten Umfang hinausgehe. Da die Merkmale a und b per se klar seien, sei ihre konkrete Nennung in dem Teil der Beschreibung, der die spezifische, in den Abbildungen dargestellte Ausführungsform behandle, nicht zwingend erforderlich. Beim Lesen der Beschreibung und Betrachten der Abbildungen sei im Hinterkopf zu behalten, dass die Merkmale a und b vorhanden seien und zusammenwirkten.
Die Beschreibung und die Zeichnungen werden bei der Auslegung der Ansprüche herangezogen. Zur diesbezüglichen Rechtsprechung wird auf Kapitel II.A.6.3. verwiesen.