5.5. Zur Beachtung der Sorgfalt gehaltene Personen und Sorgfaltsanforderungen
Bei der Bestimmung, ob alle gebotene Sorgfalt beachtet wurde, sind die Handlungen aller Personen zu berücksichtigen, die der Beschwerdeführer zum Handeln in seinem Namen beauftragt hat, was auch für von ihm beauftragte, nicht zugelassene Vertreter gilt (T 2274/11 unter Verweis auf J 4/07; s. auch J 5/80).
In J 25/96 stellte die Juristische Kammer Folgendes fest: Nimmt ein US-Anmelder für Angelegenheiten, bei denen die Verantwortung gegenüber dem EPA beim Anmelder liegt, die Dienste eines US-Patentanwalts in Anspruch, so ist dieser als Vertreter des Anmelders anzusehen. Bei der Frage, ob dem Erfordernis der "gebotenen Sorgfalt" entsprochen wurde, muss nachgewiesen werden, dass der US-Patentanwalt diejenige Sorgfalt hat walten lassen, die bei einem Anmelder vorausgesetzt wird (s. auch J 3/88, T 1401/05 vom 20. September 2006 date: 2006-09-20).
In J 4/07 wies die Juristische Kammer darauf hin, dass ein Vertreter, der nicht beim EPA zugelassen ist, die gleichen Verpflichtungen zu erfüllen hat wie jeder Vertreter, der die Interessen seiner Mandanten wahren muss – unabhängig davon, ob er nun beim EPA oder bei einem anderen Patentamt zugelassen ist (vgl. J 25/96, J 5/18). Die Überwachung bestimmter ausdrücklich gesetzter Fristen erfordert keine Kenntnis des EPÜ. Daher hat auch ein nicht beim EPA zugelassener Vertreter ein zuverlässiges System zur Überwachung solcher Fristen einzurichten. Darüber hinaus muss jeder Vertreter – ob beim EPA zugelassen oder nicht – bei einem Wechsel der Kanzlei dafür sorgen, dass bei seinem Eintritt in die neue Kanzlei alle von ihm fortgeführten Akten in ein Fristenüberwachungssystem eingetragen werden.
In J 3/08 stellte die Juristische Kammer fest, dass wenn ein Vertreter bestellt worden ist, so muss nach der ständigen Rechtsprechung auch dieser alle gebotene Sorgfalt beachten. Handelt er nicht entsprechend, so wird dies dem Anmelder angelastet. Im vorliegenden Fall hatte der Vertreter den Fall offensichtlich nicht angemessen behandelt, da er sich nicht an die Anweisungen gehalten hatte. Damit Betrug durch einen Vertreter als Grund für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand anerkannt werden kann, müssen, abweichend von dem Grundsatz, dass das Verhalten eines Vertreters dem Anmelder angelastet wird, nach Auffassung der Juristischen Kammer schlüssige Beweise vorgelegt werden, die die Kammer davon überzeugen, dass ein Betrug vorlag und nicht lediglich unprofessionelles Verhalten.
In T 742/11 befand die Kammer, dass die Handlungen eines Anwalts, der als Mittler zwischen dem Beschwerdeführer und dem zugelassenen Vertreter tätig war, dem Beteiligten anzulasten sind, für den er tätig war, und dass vom Anwalt dasselbe Maß an Sorgfalt zu erwarten ist wie von einem zugelassenen Vertreter oder zumindest vom Beteiligten selbst. Ein bestimmtes Maß an Sorgfalt von einem zugelassenen Vertreter und einem Beteiligten zu verlangen, der seine Dienste nutzt, wäre völlig sinnlos, wenn ein Mittler zwischen dem Beteiligten und dem zugelassenen Vertreter dieses Maß an Sorgfalt nicht zeigen müsste.
In T 1954/13 wurde die Kommunikation zwischen dem Beschwerdeführer und dem amerikanischen Anwalt nach der Anordnung zur "Einstellung der Arbeit" "auf ein Minimum reduziert". Ohne den Nachweis, dass der Beschwerdeführer den amerikanischen Anwalt ausdrücklich angewiesen hatte, ihm keine Auskünfte über den Stand der Anmeldung zu übermitteln, konnte die Kammer nicht feststellen, dass der amerikanische Anwalt das Erfordernis der "gebotenen Sorgfalt" erfüllt hatte, da er trotz der vom europäischen Vertreter erhaltenen einschlägigen Auskünfte in Bezug auf die Streitanmeldung untätig geblieben war. Angaben des Beschwerdeführers zufolge hatte der amerikanische Anwalt den Anmelder zwar in einer E-Mail über die endgültige Frist für das Einlegen einer Beschwerde informiert, doch war dies kurz vor dem Tag, an dem die Beschwerdefrist nach Ansicht des amerikanischen Anwalts und des europäischen Vertreters ablief; allein das Senden einer einzelnen E-Mail an den Anmelder ohne Empfangsbestätigung oder Nachforschung trug dem Erfordernis der unter den Umständen gebotenen Sorgfalt nach Ansicht der Kammer nicht Rechnung (s. auch T 2274/11, J 15/14, J 19/04).