7.3. Berichtigung von Benennungen (Regel 139 EPÜ)
Nach Art. 79 EPÜ 1973 waren im Antrag auf Erteilung eines europäischen Patents der Vertragsstaat oder die Vertragsstaaten zu benennen. Durch das EPÜ 2000 wurde dies grundlegend geändert. Die nachstehenden Entscheidungen betreffen die Anwendung des EPÜ 1973. (Anders als Art. 79 EPÜ 1973 wurde R. 88 EPÜ 1973, die jetzige R. 139 EPÜ, inhaltlich nicht geändert.)
Nach J 10/87 (ABl. 1989, 323) kann einem nach Veröffentlichung der Patentanmeldung eingereichten Antrag auf Widerruf einer Zurücknahme der Benennung eines Vertragsstaates nach R. 88 EPÜ 1973 unter bestimmten Umständen stattgegeben werden, insbesondere wenn
a) die Zurücknahme zu dem Zeitpunkt, zu dem ihr Widerruf beantragt wird, der Öffentlichkeit vom EPA noch nicht offiziell bekanntgegeben worden ist,
b) die irrtümliche Zurücknahme einem entschuldbaren Versehen zuzuschreiben ist,
c) die beantragte Berichtigung zu keiner wesentlichen Verzögerung des Verfahrens führt und
d) das EPA zu der Überzeugung gelangt, dass die Interessen Dritter, die möglicherweise durch Akteneinsicht Kenntnis von der Zurücknahme erhalten haben, ausreichend geschützt sind.
In J 17/99 wird ausgeführt, dass im Hinblick auf die Berichtigung von Benennungen in Euro-PCT-Anmeldungen die gleichen Grundsätze gelten wie für europäische Direktanmeldungen (s. auch Kapitel VI. "Das EPA als PCT-Behörde").
In J 27/96 ging es um eine Euro-PCT-Anmeldung, in der ursprünglich alle Vertragsstaaten in Bezug auf ein europäisches Patent benannt waren, bei Eintritt in die regionale Phase aber nur zehn Vertragsstaaten benannt und zehn Benennungsgebühren entrichtet wurden. Die Kammer stellte fest, dass die Berichtigung eines Fehlers nach R. 88 EPÜ 1973 durch Hinzufügung einer Benennung von der Juristischen Beschwerdekammer (s. J 3/81, ABl. 1982, 100) grundsätzlich zugelassen worden sei. Es könne jedoch offen bleiben, ob R. 88 EPÜ 1973 auf die angeblich fehlenden Benennungen hätte angewandt werden können, da die nicht rechtzeitige Entrichtung der Gebühr keine Unrichtigkeit sei, die nach R. 88 EPÜ 1973 berichtigt werden könne, und daher ein nicht behebbarer Mangel sei (s. J 21/84, ABl. 1986, 75). Auch der Hilfsantrag des Beschwerdeführers, ausdrücklich benannte Staaten durch andere nicht benannte Staaten zu ersetzen – die benannten Staaten waren nicht versehentlich benannt – scheiterte, der Fehler lag in der Auslassung der nicht benannten Staaten. Gebe es einen rückwirkenden Effekt der Berichtigung, so bedeute dies nicht die Wiedereinsetzung des Anmelders in die Verfahrensphase, in der Benennungen vorzunehmen und Gebühren zu entrichten seien, es stehe ihm also nicht das gesamte Verfahren dieser Phase nochmals zur Verfügung. Die Berichtigung einer Unrichtigkeit sei eine eigenständige Verfahrenshandlung und habe nichts mit der Wiedereinsetzung in eine Verfahrensphase als Ganzes zu tun.
In J 3/01 war die Juristische Beschwerdekammer mit demselben Problem befasst, da der Antrag des Beschwerdeführers auf die Wiedereinsetzung in eine frühere Verfahrensphase durch eine Berichtigung nach R. 88 EPÜ 1973 abzielte. Die Kammer vertrat die Auffassung, dass die Berichtigung nach R. 88 EPÜ 1973 die Wirkung der bereits auf der Grundlage des nicht berichtigten Dokuments getroffenen Entscheidungen nicht umkehre und nicht erneut eine bereits abgeschlossene Verfahrensphase oder eine bereits abgelaufene Frist eröffne. In anderen Worten würde einem Verlust von Verfahrensrechten, der mittelbar durch das nicht korrekte Dokument verursacht worden sei, nicht durch eine spätere Berichtigung des Dokuments nach R. 88 EPÜ 1973 abgeholfen. Dieser Grundsatz kennzeichne auch den funktionalen und wesentlichen Unterschied zwischen einer Berichtigung nach R. 88 EPÜ 1973 einerseits und einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach Art. 122 EPÜ 1973 andererseits (s. auch J 25/01). Die Kammer befand, dass eine Berichtigung nach R. 88 EPÜ 1973, um die Benennung des Vereinigten Königreichs nach Nichtentrichtung der Benennungsgebühr aufzunehmen, nicht zulässig sei, da sie gegen Art. 122 (5) EPÜ 1973 verstoße, wonach die Wiedereinsetzung in Fristen für die Zahlung von Benennungsgebühren nicht zulässig sei.
In J 16/08 wurde dem Antrag auf Berichtigung der Benennung von Staaten aufgrund der besonderen Umstände des Falles stattgegeben. In Anlehnung an die in J 7/90 (ABl. 1993, 133) dargelegte und in J 6/02 bestätigte Rechtsprechung legte die Kammer die drei Bedingungen zugrunde, die ein Antrag auf Berichtigung erfüllen muss, damit ihm stattgegeben werden kann – erstens, dass der Irrtum ein entschuldbares Versehen ist, zweitens dass die Berichtigung nach der Entdeckung des Irrtums ohne schuldhaftes Verzögern beantragt wird, und drittens dass der Antrag auf Berichtigung im Interesse der Öffentlichkeit so frühzeitig gestellt wird, dass in der veröffentlichten europäischen Patentanmeldung ein entsprechender Hinweis gegeben werden kann. Ein solcher Hinweis war bei der gegebenen Sachlage nicht erforderlich, weil die Anmeldung irrtümlich mit der Benennung sämtlicher Vertragsstaaten veröffentlicht worden war. Somit waren Dritte durch die Berichtigung nicht beeinträchtigt, weil es nie eine Veröffentlichung gegeben hatte, der zufolge die territoriale Wirkung der Erfindung auf zwei Vertragsstaaten beschränkt gewesen wäre.