2.4. Streichungen und Ersetzungen
In T 190/99 erklärte die Kammer mit Verweis auf T 108/91 (ABl. 1994, 228) und T 214/91, dass es nicht gegen Art. 123 (3) EPÜ 1973 verstößt, wenn ein erteilter Anspruch geändert wird, um eine unrichtige technische Aussage, die mit der Gesamtoffenbarung des Patents offensichtlich unvereinbar ist, durch die richtige Angabe der betreffenden technischen Merkmale zu ersetzen. Nach Ansicht der Kammer sollte der Fachmann zudem bei der Prüfung eines Anspruchs unlogische oder technisch unsinnige Auslegungen ausschließen.
In T 749/03 argumentierte der Beschwerdegegner (Patentinhaber), dass der Sachverhalt ähnlich gelagert sei wie in T 190/99: Anspruch 5 in der ursprünglich eingereichten Fassung wäre für sich genommen technisch unsinnig, und auch durch bloße Hinzufügung seiner Merkmale zu den Merkmalen von Anspruch 1 erhielte man eine unzulänglich definierte Apparatur. Unter Berücksichtigung der gesamten Offenbarung des Patents könnte der Fachmann jedoch zu einer technisch sinnvollen Auslegung des Anspruchs gelangen. Die Kammer stützte ihre Begründung auf den Ansatz in der Entscheidung T 371/88 (ABl. 1992, 157, die vorstehend in Kapitel II.E.2.4.8 zusammengefasst ist), in der es um die Frage der Zulässigkeit einer Änderung eines erteilten Anspruchs ging, mit der ein restriktiver Begriff durch einen weniger restriktiven Begriff ersetzt werden sollte, und in der zwei Voraussetzungen festgelegt sind: a) Der im erteilten Anspruch verwendete restriktive Begriff ist in seinem Kontext von der technischen Bedeutung her nicht so klar, dass er ohne Auslegung anhand der Beschreibung und der Zeichnungen des Patents zur Ermittlung des Schutzbereichs herangezogen werden könnte; b) aus der Beschreibung und den Zeichnungen des Patents und auch aus dem Prüfungsverfahren bis zur Patenterteilung geht unverkennbar hervor, dass die weitere Ausführungsart zur Erfindung gehört und dass nie beabsichtigt war, sie vom Schutzbereich des Patents auszuschließen. Im vorliegenden Fall (T 749/03) war die technische Bedeutung der das zweite (Transmissions)Gitter betreffenden Merkmale völlig klar, wenn man nur Anspruch 1 betrachtete. In der Kombination mit Anspruch 5 ergaben diese Merkmale jedoch nur unter Hinzuziehung der Beschreibung und der Zeichnungen einen Sinn. Daher war Voraussetzung a) erfüllt. Darüber hinaus stand außer Zweifel, dass der Anmelder auf diese Ausführungsform nicht verzichtet hatte. Damit war auch die Voraussetzung b) erfüllt.
In T 1896/11 hatte der Beschwerdeführer den zu überwachenden Parameter aus Anspruch 5 des Patents in der erteilten Fassung durch einen anderen Parameter ersetzt. Der Beschwerdeführer begründete dies wie folgt: Anspruch 5 des Patents in der erteilten Fassung enthielt eine unrichtige technische Aussage, und da aus der Beschreibung unverkennbar hervorging, was offensichtlich beabsichtigt war, konnte Anspruch 5 entsprechend dieser Absicht geändert werden (mit Verweis auf T 108/91), ohne gegen Art. 123 (3) EPÜ zu verstoßen. Die Kammer war anderer Ansicht und befand, dass der Fachmann Anspruch 5 des Patents in der erteilten Fassung verstanden hätte und es keinen Anlass zu der Annahme gab, dass er eine unrichtige technische Aussage enthielt. Außerdem sei es nach G 1/93 (ABl. 1994, 541) nicht zulässig, ein technisches Merkmal eines Patentanspruchs durch ein anderes technisches Merkmal zu ersetzen, das dazu führe, dass sich der Anspruch auf einen Gegenstand erstrecke, der außerhalb des Schutzbereichs des erteilten Anspruchs liege. In T 195/09 wurde darauf hingewiesen, dass die Entscheidung T 108/91 diesbezüglich ganz eindeutig von G 1/93 überholt worden ist.