9. Beweisfragen
Vormals Abschnitt II.C.9.1. Dieser Abschnitt wurde aufgrund von Aktualisierungen in vorhergehenden Abschnitten umnummeriert. Am Inhalt dieses Abschnitts wurden keine Änderungen vorgenommen. |
In T 63/06 (s. Leitsatz) räumte die Kammer ein, dass im Allgemeinen der Einsprechende die Beweislast in Bezug auf unzureichende Offenbarung trägt. Werden im Patent allerdings keinerlei Angaben dazu gemacht, wie ein Merkmal der Erfindung in die Praxis umgesetzt werden kann, so besteht nur eine schwache Vermutung, dass die Erfindung hinreichend offenbart ist. In einem solchen Fall kann der Einsprechende seiner Beweispflicht dadurch genügen, dass er glaubhaft macht, dass das allgemeine Fachwissen es dem Fachmann nicht ermöglichen würde, dieses Merkmal in die Praxis umzusetzen. Dann trägt der Patentinhaber die Beweislast für die gegenteilige Behauptung, dass das allgemeine Fachwissen den Fachmann durchaus zur Ausführung der Erfindung befähigen würde. In jüngerer Zeit wurde diese Frage in T 338/10 behandelt, der zufolge die begründeten Argumente des Einsprechenden die Beweislast umkehren, im selben Sinne auch T 518/10 – s. auch T 792/00, Nrn. 9 ff. der Gründe (Beweislast bei hypothetischem Versuchsprotokoll).
In T 491/08 stellte die Kammer unter Hinweis auf T 63/06 fest, dass eine Vermutung besteht, dass Patentanmeldungen sich im Allgemeinen auf eine Erfindung beziehen, die so deutlich und vollständig offenbart ist, dass ein Fachmann sie ausführen kann. Wie schwer Argumente und Beweise wiegen müssen, um diese Vermutung zu widerlegen, hängt von der Vermutung ab: Bei einer starken Vermutung sind gewichtigere Argumente und Beweise erforderlich als bei einer schwachen Vermutung. Enthält eine Patentanmeldung keine detaillierten Informationen dazu, wie die Erfindung in die Praxis umgesetzt werden soll, so genügen weniger gewichtige Argumente und Beweise. Ernsthafte Zweifel daran, ob der Fachmann die beanspruchte Erfindung ausführen kann, z. B. aufgrund von nachvollziehbaren und plausiblen Argumenten, sind hier ausreichend (s. auch T 347/15; T 1845/17 (mehrdeutiger Parameter); T 2218/16 (Gentherapie für Motoneuronerkrankungen – scAAV9-Vektor) mit einer Zusammenfassung der Rechtsprechung zur Beweislast bei einer angeblichen unzureichenden Offenbarung).
In T 59/18 befand die Kammer in Bezug auf die Beweislast, wenn nur eine schwache Vermutung besteht, dass die Erfindung hinreichend offenbart ist (Verweis auf T 63/06), und die Beschwerdegegner (Einsprechenden) überzeugend argumentiert hatten, dass der Begriff "Relaxationsrate" mit der vom Beschwerdeführer beabsichtigten Bedeutung nicht in Lehrbüchern zu finden sei und kein allgemeines Fachwissen darstelle, liegt die Beweislast für die Feststellung der ausreichenden Offenbarung eindeutig beim Beschwerdeführer/Patentinhaber.
In T 2119/14 (unüblicher Parameter) erklärte die Kammer unter Verweis auf T 63/06 (Konzepte der starken Vermutung und der schwachen Vermutung in Bezug auf die Beweislast), es resultiere ein unzumutbarer Aufwand aus der nahezu unendlichen Anzahl von Beschichtungszusammensetzungen, die unter die strukturelle Definition des Anspruchs 1 fielen, und der festgestellten fehlenden Lehre des Streitpatents dahin gehend, wie die Komponenten der Beschichtungszusammensetzung in geeigneter und einfacher Weise ausgewählt werden können, um das Erfordernis des unüblichen Parameters von Anspruch 1 zu erfüllen. Infolgedessen obliege der Nachweis dafür, dass die Herstellung der Beschichtungszusammensetzungen über den gesamten Schutzbereich für den Fachmann keinen unzumutbaren Arbeitsaufwand bedeute, dem Patentinhaber (hier Beschwerdeführer).