7.2. Erforderlicher Umfang der Offenbarung bei einer medizinischen Verwendung – Plausibilität
In der Entscheidung T 1616/09 führte die Kammer aus, dass für die Zwecke des Art. 83 EPÜ bei Ansprüchen, die auf pharmazeutische Zusammensetzungen oder Kits gerichtet sind, die Offenbarung einen anderen Umfang aufweisen muss als bei Ansprüchen, die auf eine medizinische Verwendung gerichtet sind. Bei Ansprüchen, die auf pharmazeutische Zusammensetzungen oder Kits gerichtet sind, reicht es grundsätzlich aus, wenn die Anmeldung Angaben enthält, die dem Fachmann die Herstellung der Zusammensetzung oder des Kits ermöglichen, und wenn keine begründeten Zweifel an der therapeutischen Verwendbarkeit bestehen. Bei Ansprüchen, die auf die zweite medizinische Verwendung gerichtet sind, muss hingegen in der Anmeldung nicht nur die Zusammensetzung selbst ausführbar offenbart sein, sondern auch ihre Eignung für die beanspruchte Behandlung plausibel offenbart sein. Bei einem Anspruch, der auf eine pharmazeutische Zusammensetzung mit zwei Klassen von Verbindungen gerichtet ist, die beide im Stand der Technik bereits therapeutisch verwendet wurden, besteht a priori kein Anlass, an der Herstellbarkeit dieser pharmazeutischen Zusammensetzung zu zweifeln; eine spezifische funktionelle Wirkung muss nicht nachgewiesen werden. Bei Ansprüchen auf eine zweite medizinische Verwendung muss die beanspruchte therapeutische Wirkung nicht in der Anmeldung nachgewiesen werden, wenn sie dem Fachmann zum Prioritätszeitpunkt bereits bekannt ist. Nach T 1616/09 gilt T 609/02 nicht für Zusammensetzungen, sondern nur für Ansprüche auf eine zweite medizinische Verwendung (s. auch T 1592/12, wo in Nr. 16 und 17 der Gründe darauf hingewiesen wird, dass es nicht ausreicht zu zeigen, dass der Fachmann die beanspruchte Dosierungsanleitung ausführen kann).