5. Zuerkennung eines Anmeldetags
Dieser Abschnitt wurde aktualisiert, um die Rechtsprechung und Gesetzänderungen bis 31. Dezember 2023 zu berücksichtigen. Die vorherige Version dieses Abschnitts finden Sie in "Rechtsprechung der Beschwerdekammern", 10. Auflage (PDF). |
Der Anmeldetag kann sich ändern, wenn der Anmelder nach dem Anmeldetag fehlende Teile der Beschreibung oder fehlende Zeichnungen nach R. 56 EPÜ hinzufügt (siehe A.IV.5.4) oder fälschlicherweise eingereichte Teile nach R. 56a EPÜ berichtigt (siehe A.IV.5.6). In diesem Abschnitt geht es um andere Situationen, in denen eine Neufestsetzung des Anmeldetags beantragt wurde.
In J 14/90 (ABl. 1992, 505) befand die Juristische Beschwerdekammer, dass die Verschiebung eines Anmeldetags auf einen späteren Tag nicht damit gerechtfertigt werden kann, dass dieser spätere Tag die Erteilung eines europäischen Patents für einen neuen Vertragsstaat erlauben würde. Da die Benennung eines Staats ein Bestandteil des Antrags auf Patenterteilung ist und insoweit zu den Unterlagen einer Patentanmeldung gehört, wäre eine Verschiebung des Anmeldetags auf den Tag einer nachgebrachten Benennung zwar nicht prinzipiell ausgeschlossen. Es fehlt aber eine Rechtsnorm, die dies erlauben würde. Im vorliegenden Fall liegt auch keine Sondersituation vor wie im Falle der Entscheidung J 5/89. Gerade das Gegenteil ist der Fall: die Interessen Dritter und Ordnungsgesichtspunkte sprechen gegen eine Verschiebung.
In J 5/89 stellte die Juristische Beschwerdekammer fest, dass in Art. 80 EPÜ ganz klar ein Datum festgelegt ist, vor dem der Anmeldung kein Anmeldetag zuerkannt werden kann; daraus folgt aber nicht, dass eine Anmeldung nicht mit Zustimmung des Anmelders einen späteren Anmeldetag erhalten kann – sofern dies dem Interesse der Öffentlichkeit nicht schadet –, wenn der Anmelder vom EPA fälschlicherweise dazu gebracht wurde, keine neue Anmeldung mit Anspruch auf diesen späteren Anmeldetag einzureichen. S. auch Kapitel III.A. "Grundsatz des Vertrauensschutzes".
J 18/90 (ABl. 1992, 511) folgte J 14/90 (ABl. 1992, 505) dahin gehend, dass die ausdrückliche Benennung eines neuen Vertragsstaats in einer europäischen Patentanmeldung kurze Zeit vor dem Inkrafttreten des EPÜ für diesen Staat zwar keine Verschiebung des Anmeldetags auf den Tag des Inkrafttretens rechtfertigen kann. Die Juristische Beschwerdekammer fügte jedoch in J 18/90 hinzu, dass eine solche ausdrückliche Benennung nach Vergewisserung beim Anmelder dahin ausgelegt werden kann, dass der Anmelder keinen früheren Anmeldetag wünscht als den Tag, an dem das EPÜ für den betreffenden Staat in Kraft tritt.
In T 683/06 richtete sich die Beschwerde gegen die Entscheidung der Prüfungsabteilung, mit der die Teilanmeldung zurückgewiesen wurde. Die Stammanmeldung wurde in der Nacht per Fax übermittelt. Dabei gingen die Anmeldeunterlagen teils vor und teils nach Mitternacht ein. Nach der angefochtenen Entscheidung der Prüfungsabteilung ging die Teilanmeldung über den Inhalt der Stammanmeldung hinaus (Art. 76 (1) EPÜ), weil die Ansprüche der Teilanmeldung ihre Stütze nur in den Teilen der Unterlagen für die Stammanmeldung finden würden, die seinerzeit nach Mitternacht per Fax eingegangen waren und die nach der Entscheidung des Anmelders für den früheren Anmeldetag nicht zu Unterlagen der Stammanmeldung geworden sind.
Der Beschwerdeführer strebte an, bei der Stammanmeldung das Datum nach Mitternacht als Anmeldetag anzuerkennen. Das EPÜ sieht aber keine nachträgliche Verschiebung eines einmal festgesetzten Anmeldetags vor. Lediglich R. 56 EPÜ ermöglicht die Verschiebung des Anmeldetags nach hinten, wenn fehlende Zeichnungen oder Teile der Beschreibung später nachgereicht werden. Ansonsten kann eine Berichtigung von Fehlern in eingereichten Unterlagen gemäß R. 139 EPÜ gegebenenfalls auch zu einer Änderung des Anmeldetags führen. Um eine solche Korrektur handelte es sich aber im vorliegenden Fall nicht. Auch eine Korrektur nach R. 140 EPÜ kam nicht in Betracht.