5.11.3 Zweiseitiges Beschwerdeverfahren
In T 305/07 reichte der Beschwerdeführer mit seiner Beschwerdebegründung als Beweismittel Versuchsergebnisse ein, die die Einspruchsabteilung nicht zugelassen hatte. Die Kammer stellte zunächst fest, dass sich die streitigen Ansprüche von denjenigen unterschieden, mit denen sich die Einspruchsabteilung befasst und für welche sie die Versuchsergebnisse als irrelevant erachtet hatte. Die Kammer gelangte aber zu dem Schluss, dass keines der mit der Beschwerdebegründung eingereichten Versuchsergebnisse für die ihr vorgelegte Sache relevant sei, und ließ die Versuchsergebnisse daher nicht zu.
In T 795/14 hatte die Einspruchsabteilung die Versuche nicht zugelassen, weil sie sie prima facie für nicht relevant erachtete. Der Beschwerdeführer (Patentinhaber) reichte die Versuche mit der Beschwerdebegründung erneut ein, denn sie betrafen die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit, die Hauptgegenstand der Einspruchsentscheidung gewesen war. Außerdem stellte er fünf weitere Hilfsanträge, und es war nicht auszuschließen, dass die Versuche nicht doch noch für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit eines dieser Hilfsanträge relevant werden würden. Die Kammer sah daher keinen Grund, die Versuche nicht zum Verfahren zuzulassen.
Nach Ansicht der Kammer in T 2102/08 läuft die Entscheidung nach Art. 12 (4) VOBK 2007 über die Zulassung von Vorbringen, das bereits im erstinstanzlichen Verfahren nicht zugelassen wurde, auf eine Überprüfung der Ermessensentscheidung (vorliegend der Einspruchsabteilung) hinaus. In diesem Zusammenhang verwies die Kammer auf G 7/93 (ABl. 1994, 775), wonach sich die Kammer nur dann über die Art und Weise, in der die erste Instanz ihr Ermessen ausgeübt hat, hinwegsetzen sollte, wenn sie zu dem Schluss gelangt, dass die erste Instanz ihr Ermessen nicht nach Maßgabe der richtigen Kriterien oder in unangemessener Weise ausgeübt hat. Eine weitere Entscheidung, die die Grundsätze aus G 7/93 in diesem Zusammenhang anwendet, ist z. B. T 2182/17. S. dazu auch Kapitel V.A.3.4. "Überprüfung erstinstanzlicher Ermessensentscheidungen".
In T 971/11 teilte die Kammer diese Auffassung jedoch nicht vollumfänglich. Sie wies darauf hin, dass ein Dokument, das zum Beschwerdeverfahren zugelassen worden wäre, wenn es zu Beginn dieses Verfahrens erstmals eingereicht worden wäre, nicht allein deshalb als unzulässig betrachtet werden sollte, weil es bereits im erstinstanzlichen Verfahren vorgelegt (und nicht zugelassen) wurde.