2.4. Streichungen und Ersetzungen
In T 2259/09 enthielt das Patent in der erteilten Fassung einen Satz Abbildungen, doch wurden in dem gemäß dem Hauptantrag geänderten Patent alle Zeichnungen gestrichen, um die Erfordernisse des Art. 123 (2) EPÜ zu erfüllen, und die Beschreibung wurde entsprechend angepasst. Was die Prüfung im Hinblick auf Art. 123 (3) EPÜ betrifft, so gingen mit der Streichung der Zeichnungen aus der Patentschrift zweifellos technische Informationen verloren. Dieser Verlust konnte zwar gewisse Unsicherheiten betreffend bestimmte Einzelheiten der in den Zeichnungen dargestellten bevorzugten Ausführungsarten zur Folge haben, doch konnte nicht – wie in der angefochtenen Entscheidung – geschlossen werden, dass er automatisch den Schutzbereich erweitern würde. Im vorliegenden Fall waren die Ansprüche nicht auf irgendwelche eigens in den (gestrichenen) Zeichnungen dargelegte Einzelheiten, Abmessungen oder Merkmale beschränkt. Zudem kann nach Art. 69 (1) EPÜ eine Bezugnahme auf die Zeichnungen einer Patentschrift zwar hilfreich, ja sogar notwendig sein, wenn es im erteilten Anspruch eine Unklarheit gibt, doch wurde in der angefochtenen Entscheidung keine solche Unklarheit festgestellt; auch die Kammer konnte keine finden. Deshalb erweitert die Streichung der Zeichnungen den Schutzbereich des Hauptantrags nicht.
In T 236/12 offenbarten die in der Patentschrift veröffentlichten Zeichnungen zwar technische Informationen, die den ursprünglich eingereichten und jetzt geltenden Zeichnungen nicht zu entnehmen sind, dadurch wurde aber nicht der Schutzbereich des Patents erweitert. Weil die technischen Merkmale der Ansprüche ausführlich und detailliert genug in der Beschreibung in Verbindung mit den ursprünglichen Zeichnungen erläutert waren, konnte sich der Fachmann nach wie vor klar vorstellen, was unter Schutz gestellt wird und wie es auszusehen hat.
In T 1360/13 stellte die Kammer fest, dass etwaige in der Beschreibung und/oder den Zeichnungen eines Patents enthaltene Informationen, die sich direkt auf ein Anspruchsmerkmal beziehen und dessen Auslegung potenziell einschränken, in Anbetracht des Art. 69 (1) EPÜ nach der Patenterteilung nicht ohne Verstoß gegen Art. 123 (3) EPÜ aus der Patentschrift gestrichen werden können. Bezug nehmend auf G 2/88 (ABl. 1990, 93) und Art. 69 EPÜ stellte die Kammer Folgendes fest: selbst wenn bei einer isolierten Betrachtung der Ansprüche eine Klarstellung nicht erforderlich scheint, kann doch nicht ausgeschlossen werden, dass zur Anspruchsauslegung, d. h. zur Bestimmung des Schutzumfangs, die Beschreibung und die Zeichnungen benötigt werden. In der Regel ist das in einer Patentschrift verwendete Vokabular einheitlich und hängt vom technischen Gebiet der Erfindung sowie den persönlichen Präferenzen des Autors ab. Die Beschreibung und die Zeichnungen enthalten im Allgemeinen explizite oder implizite Definitionen von in den Ansprüchen verwendeten Begriffen, z. B. Erläuterungen zu den Funktionen der beanspruchten Merkmale oder den mit der Erfindung verfolgten Zielen. Sich ausschließlich auf den Wortlaut der Ansprüche zu konzentrieren, würde bedeuten, dass man mit Blick auf den Schutzumfang die gesamte Beschreibung und die Zeichnungen der Patentschrift streichen könnte, womit man die Absichten des Erfinders vollständig ignorieren würde. Im vorliegenden Fall führte die Streichung der Zeichnungen und sämtlicher Verweise darauf in der Beschreibung nicht nur zu einer Verallgemeinerung der Lehre des Patents, sondern auch zu einer allgemeineren Auslegung des Anspruchs. Die Kammer machte einen Unterschied zwischen der vorliegenden Sache auf der einen und T 2259/09 und T 236/12 auf der anderen Seite.
- T 953/22
Catchword:
An amendment to a figure of the patent as granted may extend the protection conferred by the patent even if the claims and the description remain unamended (see point 3 of the Reasons).