6.6. Pläne, Regeln und Verfahren für gedankliche Tätigkeiten, für Spiele oder für geschäftliche Tätigkeiten
Vormals Abschnitt I.A.2.5.3. Dieser Abschnitt wurde aufgrund von Aktualisierungen in vorhergehenden Abschnitten umnummeriert. Am Inhalt dieses Abschnitts wurden keine Änderungen vorgenommen. |
In T 22/85 (ABl. 1990, 12) musste die Kammer über die Patentierbarkeit eines Verfahrens zur automatischen Zusammenfassung und Speicherung von Eingabedokumenten in einem System zur Informationsspeicherung und -wiederauffindung sowie eines entsprechenden Verfahrens zur Wiederauffindung eines Dokuments in diesem System entscheiden. Nach Feststellung der Kammer fiel das beschriebene Verfahren unter die in Art. 52 (2) c) EPÜ 1973 definierten Tätigkeiten. Eine bloße Darlegung der zur Ausführung der Tätigkeit erforderlichen Schrittfolge in Form von Funktionen oder funktionellen Mitteln, die mit herkömmlichen Computer-Hardware-Elementen zu realisieren seien, bringe jedoch keinerlei technische Überlegungen ins Spiel und könne deshalb weder dieser Tätigkeit noch dem beanspruchten Gegenstand als Ganzem technischen Charakter verleihen. Ebenso wenig könne beispielsweise die Lösung einer mathematischen Gleichung mit einer herkömmlichen Rechenmaschine als technische Tätigkeit angesehen werden (s. auch T 186/86, T 95/86).
In T 38/86 (ABl. 1990, 384) hatte die Kammer zunächst über die Patentierbarkeit eines Verfahrens zur automatischen Erkennung und Substitution sprachlicher Ausdrücke zu befinden, die in einer Liste sprachlicher Ausdrücke oberhalb eines vorgegebenen Verständlichkeitsniveaus angesiedelt waren. Nach Ansicht der Kammer würde eine Person, die ihr Wissen und ihr Urteilsvermögen nutzen wollte, um diese Aufgabe auszuführen, eine rein gedankliche Tätigkeit im Sinne des Art. 52 (2) c) EPÜ 1973 durchführen, wobei die für diese gedanklichen Tätigkeiten herangezogenen Pläne, Regeln und Verfahren keine Erfindung im Sinne des Art. 52 (1) EPÜ 1973 seien. Die Kammer führte weiter aus, dass der Einsatz technischer Mittel ein Verfahren, das ganz oder teilweise ohne menschliche Eingriffe vonstatten gehe und das einem Menschen, der es durchführen wolle, eine gedankliche Tätigkeit abverlange, im Hinblick auf Art. 52 (3) EPÜ 1973 zu einem technischen Vorgang oder Verfahren machen könne, sodass eine Erfindung im Sinne des Art. 52 (1) EPÜ 1973 vorliege. Da ein Patentierungsverbot nur insoweit bestehe, als sich die Patentanmeldung auf die ausgeschlossenen Gegenstände oder Tätigkeiten als solche beziehe, ziele das Übereinkommen wohl darauf ab, eine Patentierung nur in den Fällen zuzulassen, in denen die Erfindung einen Beitrag zum Stand der Technik auf einem vom Patentschutz nicht ausgeschlossenen Gebiet leiste. Im vorliegenden Fall waren diese Bedingungen nicht erfüllt: Sobald die Schritte des Verfahrens zur Durchführung der betreffenden gedanklichen Tätigkeit definiert waren, erforderte die Realisierung der bei diesen Verfahrensschritten zu verwendenden technischen Mittel nur die unmittelbare Anwendung herkömmlicher technischer Verfahren und musste deshalb als für den Fachmann naheliegend angesehen werden. Wenn ein Anspruch für ein Gerät (hier: ein Textverarbeitungssystem) zur Durchführung eines Verfahrens keine anderen technischen Merkmale enthält als die, die bereits in einem Anspruch für das betreffende Verfahren angegeben sind, und das Gerät auch nicht vom physikalischen Aufbau her, sondern nur durch funktionelle Angaben, die den Verfahrensschritten entsprechen, definiert, trägt das beanspruchte Gerät zum Stand der Technik nicht mehr bei als das Verfahren, obwohl der Anspruch von seiner Formulierung her zu einer anderen Anspruchskategorie gehört. Ist in einem solchen Fall das Verfahren vom Patentschutz ausgeschlossen, so gilt dasselbe für das Gerät (s. auch T 71/91, T 121/85).
In T 110/90 (ABl. 1994, 557) betraf die Erfindung ein Verfahren, mit dem eine mit einem im Stapelbetrieb arbeitenden Textverarbeitungssystem erstellte erste aufbereitungsfähige Dokumentenform in eine zweite aufbereitungsfähige Dokumentenform zur Verwendung in einem im Dialog- oder im Stapelbetrieb arbeitenden Textverarbeitungssystem umgewandelt wurde. In Anlehnung an T 163/85 (ABl. 1990, 379) stellte die Kammer fest, dass Steuerzeichen (z. B. Steuerzeichen für den Drucker), die in einem in digitalisierter Form vorliegenden Text enthalten seien, für das Textverarbeitungssystem, in dem sie vorkämen, insofern charakteristisch seien, als sie für dessen internen technischen Betrieb kennzeichnend seien. Deshalb stellten diese Steuerzeichen technische Merkmale des Textverarbeitungssystems dar, in dem sie vorkämen. Infolgedessen stelle die Umwandlung von Steuerzeichen, die als technische Merkmale zu einem bestimmten Textverarbeitungssystem gehörten, in Steuerzeichen, die zu einem anderen Textverarbeitungssystem gehörten, ein Verfahren dar, das technischen Charakter aufweise.
In T 95/86 umfasste die Erfindung das Editieren von Text an einem Computerbildschirm. Die Kammer stellte fest, dass das Editieren eines Texts eine Tätigkeit ist, die sich vor allem mit seinen linguistischen und das Layout betreffenden Aspekten befasst. Das Verfahren als solches zielt auf die Lösung einer Aufgabe ab, die im Wesentlichen nichttechnischer Art ist. Die Kammer war daher der Auffassung, dass die im Editieren eines Texts bestehende Tätigkeit als solche in die Kategorie der Pläne, Regeln und Verfahren für gedankliche Tätigkeiten fällt und nach Art. 52 (2) c) und (3) EPÜ von der Patentierung ausgeschlossen ist (im Anschluss an T 186/86).