BESCHWERDEKAMMERN
Entscheidungen der Technische Beschwerdekammern
Entscheidung der Technischen Beschwerdekammer 3.5.1 vom 15. April 1993 - T 110/90 - 3.5.1
(Übersetzung)
Zusammensetzung der Kammer:
Vorsitzender: | P. K. J. van den Berg |
Mitglieder: | W. B. Oettinger |
| F. Benussi |
Anmelder: International Business Machines Corporation
Stichwort: editierbare Dokumentenform/IBM
Artikel: 52 (2) c) und (3), 111 (1) EPÜ
Schlagwort: "Verfahren für gedankliche Tätigkeiten (verneint)" - "Computerprogramm (verneint)" - "Zurückverweisung zur weiteren Entscheidung"
Leitsätze
I. Steuerzeichen (z. B. Steuerzeichen für den Drucker), die in einem in Form digitaler Daten vorliegenden Text enthalten sind, sind für das Textverarbeitungssystem, in dem sie vorkommen, insofern charakteristisch, als sie für dessen interne technische Arbeitsweise kennzeichnend sind.
Deshalb verkörpern diese Steuerzeichen technische Merkmale des Textverarbeitungssystems, in dem sie vorkommen (im Anschluß an T 163/85 "Farbfernsehsignal/BBC", ABl. EPA 1990, 379).
II. Infolgedessen stellt die Umwandlung von Steuerzeichen, die als technische Merkmale zu einem bestimmten Textverarbeitungssystem gehören, in die Steuerzeichen eines anderen Textverarbeitungssystems ein Verfahren dar, das technischen Charakter aufweist.
III. Wird ein Verfahren zur Umwandlung eines digitalisierten Textes, bei dem ein in einer ersten editierbaren Form vorliegendes und eine Reihe von Eingabesteuerzeichen enthaltendes Ausgangsdokument in ein Zieldokument in einer zweiten editierbaren Form mit einer Reihe damit kompatibler Ausgabesteuerzeichen umgewandelt wird, durch einen entsprechend programmierten Computer ausgeführt, so stellen die Schritte dieses Verfahrens nicht ein Computerprogramm als solches, sondern den dem Computerprogramm zugrunde liegenden Algorithmus dar, und das Programm gilt als technisches Mittel zur Ausführung des (technischen) Verfahrens (im Anschluß an T 208/84 "computerbezogene Erfindung/VICOM", ABl. EPA 1987, 14).
Sachverhalt und Anträge
I. Die Beschwerde richtet sich gegen die am 14. September 1989 ergangene Entscheidung der Prüfungsabteilung über die Zurückweisung der europäischen Patentanmeldung Nr. 83 111 222.2, die damit begründet wurde, daß der Gegenstand des Anspruchs 1 in der veröffentlichten Fassung (EP-A-109 615) nicht als Erfindung im Sinne des Artikels 52 (1) EPÜ angesehen werden könne.
Der Anspruch lautete wie folgt:
"Verfahren zur Umwandlung eines in einer ersten editierbaren Form vorliegenden und eine Reihe von Eingabezeichen enthaltenden Ausgangsdokuments in ein Zieldokument in einer zweiten Form mit Ausgabezeichen, dadurch gekennzeichnet, daß diese zweite Form ebenfalls eine editierbare Form mit damit kompatiblen Ausgabezeichen ist, wobei das Verfahren folgende Schritte umfaßt:
a) Bestimmung eines Satzes von Schlüsselstatusvariablen aus allen möglichen Statusvariablen, die Informationen über vorhandene Steuerzeichen des Ausgangsdokuments, die in einer Sequenz solcher Zeichen im Ausgangsdokument gelesen werden, widerspiegeln und gemeinsam identifizieren;
b) Bestimmung von Kriterien für die Kompatibilität der noch zu lesenden Eingabezeichen des Ausgangsdokuments mit den Steuerzeichen des Ausgangsdokuments, die bereits in einer Sequenz gelesen wurden und durch die Schlüsselstatusvariablen widergespiegelt werden;
c) Aufstellung einer festen Rangordnung für alle möglichen Ausgabezeichen, wobei jedes notwendige Ausgabezeichenpaar bei der Umwandlung einer gegebenen Eingabesequenz in der festgelegten Rangordnung geschrieben wird;
d) Festlegung eines Satzes von Regeln für jedes mögliche Ausgabezeichen, die darüber bestimmen, ob das jeweilige mögliche Ausgabezeichen als Funktion des Status der Statusvariablen in das Zieldokument geschrieben wird; und
e) Lesen einer Sequenz von Eingabezeichen im Ausgangsdokument gemäß den genannten Kompatibilitätskriterien;
f) Schreiben aller geeigneten Ausgabezeichen entsprechend der festen Rangordnung der Ausgabezeichen gemäß den festgelegten Regeln als Ergebnis der Umwandlung der Sequenz."
In der Entscheidung wurde festgestellt, daß der Anmeldungsgegenstand zwar möglicherweise durchaus gewerblich anwendbar sei; er erfülle aber nicht die Erfordernisse des Artikels 52 EPÜ, da er aufgrund des Artikels 52 (2) EPÜ nicht als Erfindung im Sinne des Artikels 52 (1) EPÜ angesehen werde.
Das Kriterium der gewerblichen Anwendbarkeit habe gegenüber den in Artikel 52 (2) EPÜ verankerten Patentierungsbeschränkungen keinen Vorrang. Ein Gegenstand, der nach Artikel 52 (2) EPÜ nicht als Erfindung im Sinne des Artikels 52 (1) EPÜ angesehen werde, sei also mit anderen Worten auch dann vom Patentschutz ausgeschlossen, wenn er gewerblich anwendbar sei (vgl. Richtlinien für die Prüfung im Europäischen Patentamt, C-IV, 2.2 und 4.5).
Im Anspruch 1 seien keine technischen Mittel zur Durchführung der beanspruchten Verfahrensschritte angegeben. Das beanspruchte allgemeine Verfahren definiere vielmehr ein rein abstraktes Konzept für die Umwandlung von Daten. Die Schritte a bis d des Anspruchs 1 müßten eindeutig von einem Menschen, etwa einem Systementwickler, auf rein gedanklichem Weg ausgeführt werden. Anspruch 1 sei überdies so weit gefaßt, daß er sogar den Fall einschließe, bei dem auch die Verfahrensschritte e und f dieses Anspruchs anhand entsprechend zusammengestellter Entscheidungstabellen von einem Menschen auf gedanklichem Weg ausgeführt würden.
Das Gegenargument der Anmelderin, daß der Vorgang des Umwandelns in einer Datenverarbeitungsanlage stattfinden könne, war zwar durch die Beschreibung, insbesondere Seite 7, Zeilen 8 bis 12 und den die Abbildung 1 betreffenden Teil der Beschreibung, gestützt, wurde aber mit der Begründung verworfen, eine solche Ausführung der Schritte e und f des Anspruchs 1 sei nicht klar und eindeutig als Gegenstand der Ansprüche definiert.
Die Prüfungsabteilung wies ferner darauf hin, daß ein Anspruch auf ein Computerprogramm ohne Rücksicht auf dessen Inhalt nicht patentfähig sei und sich daran normalerweise auch dann nichts ändere, wenn das Programm in eine bekannte Datenverarbeitungsanlage geladen werde, es sei denn, der beanspruchte Gegenstand habe eine technische Wirkung und weise alle für diese technische Wirkung wesentlichen technischen Merkmale auf (vgl. Richtlinien für die Prüfung, C-IV, 2.3 "Programme für Datenverarbeitungsanlagen").
Der Feststellung der Anmelderin, daß die Anmeldung durch die Lösung des Problems der Konvertierung verschiedenartiger editierbarer Dokumente eine bessere Nutzung der verschiedenen bereits existierenden Textverarbeitungssysteme ermögliche, hielt die Prüfungsabteilung entgegen, daß sich ein solcher Effekt nur bei Einsatz des beanspruchten Verfahrens im Prozessor einer Datenverarbeitungsanlage einstelle und daher nicht unmittelbar und eindeutig durch das beanspruchte Verfahren als solches erzielt werde.
Die Anmelderin machte weiter geltend, daß sich ein bedeutsamer Einfluß auf die Rechnerstruktur in einer sogenannten "virtuellen" Schnittstelle - der in Abbildung 1 der Anmeldung dargestellten Umwandlungseinheit (48) - manifestiere. Die Prüfungsabteilung räumte zwar ein, daß die Abbildungen und die Beschreibung der Anmeldung möglicherweise durchaus technische Merkmale und eine technische Aufgabe offenbarten, hielt dies aber nicht für maßgeblich. Wie sie bereits in ihrem ersten und zweiten Bescheid ausgeführt habe, gehe es bei Anspruch 1 in seiner vorliegenden Fassung nicht klar und eindeutig um einen technischen Sachverhalt. Trotz dieser wiederholten Beanstandung habe die Anmelderin den ursprünglichen Anspruchssatz unverändert beibehalten.
Nach Artikel 52 (2) EPÜ könne der Gegenstand des Anspruchs 1 nicht als Erfindung im Sinne des Artikels 52 (1) EPÜ angesehen werden.
Auch die abhängigen Ansprüche 2 bis 7 enthielten keine technischen Merkmale. Sie fielen daher aus denselben Gründen unter das Patentierungsverbot.
II. Am 8. November 1989 wurde unter Entrichtung der entsprechenden Gebühr Beschwerde eingelegt und die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung sowie die Erteilung eines Patents beantragt.
Am 12. Januar 1990 reichte die Beschwerdeführerin zusammen mit der Beschwerdebegründung einen neuen Anspruch 1 ein, um den Einwand der "gedanklichen Tätigkeit" zu entkräften; in diesem Rahmen wies sie auch den Einwand, es handle sich um ein "Computerprogramm", zurück und machte geltend, daß das beanspruchte Verfahren im Sinne der VICOM-Entscheidung (T 208/84, ABl. EPA 1987, 14) technischer Natur sei.
III. Auf einen Bescheid der Kammer, die unter Verweis auf ihre Rechtsprechung (T 22/85, T 38/86, T 65/86, T 186/86) Zweifel an der Patentierbarkeit des neuen Anspruchs 1 oder eines ähnlichen Anspruchs äußerte, zog die Beschwerdeführerin eine weitere Entscheidung an (T 26/86, ABl. EPA 1988, 19).
IV. Am 5. Dezember 1991 fand eine mündliche Verhandlung statt, an deren Ende der Beschwerdeführerin von der Kammer nochmals Gelegenheit gegeben wurde, innerhalb einer bestimmten Frist geänderte Ansprüche einzureichen.
V. Daraufhin legte die Beschwerdeführerin neue Ansprüche vor und beantragte die Zurückverweisung der Sache an die Prüfungsabteilung zur weiteren Prüfung auf der Grundlage der in der Akte befindlichen Unterlagen, die nach Auffassung der Kammer folgendes umfassen:
- die am 6. Juni 1992 eingereichten Ansprüche 1 bis 7;
- die Beschreibung in der veröffentlichten Fassung mit den am 18. Mai 1987 und am 1. März 1988 vorgeschlagenen Änderungen;
- die Zeichnungen in der veröffentlichten Fassung.
Anspruch 1 lautet danach wie folgt:
"Verfahren zur Umwandlung von Text,
der in Form digitaler Daten vorliegt,
bei dem ein in einer ersten editierbaren Form vorliegendes und eine Reihe von Eingabesteuerzeichen enthaltendes Ausgangsdokument in ein Zieldokument in einer zweiten editierbaren Form mit einer Reihe damit kompatibler Ausgabesteuerzeichen umgewandelt wird,
wobei das Verfahren folgende Schritte umfaßt:
a) Bestimmung (Abb. 2) eines Satzes von Schlüsselstatusvariablen aus allen möglichen Statusvariablen, die Informationen über vorhandene Eingabesteuerzeichen, die in einer Eingabesequenz solcher Zeichen im Ausgangsdokument gelesen werden, widerspiegeln und gemeinsam identifizieren;
b) Bestimmung von Kriterien für die Kompatibilität der noch zu lesenden Eingabesteuerzeichen mit den Eingabesteuerzeichen, die in der Eingabesequenz bereits gelesen wurden und durch die Schlüsselstatusvariablen widergespiegelt werden;
c) Aufstellung (Abb. 4 - 8) einer festen Rangordnung für alle möglichen Ausgabesteuerzeichen in Verbindung mit den Schlüsselstatusvariablen zur Umwandlung eines gegebenen Teils der Eingabesteuerzeichen enthaltenden Eingabesequenz;
d) Festlegung eines Satzes von Regeln (Abb. 9 - 31) für jedes mögliche Ausgabesteuerzeichen, die darüber bestimmen, ob das jeweilige mögliche Ausgabesteuerzeichen als Funktion des Status der Statusvariablen in das Zieldokument geschrieben wird; und
digitale Verarbeitung des Textes durch
e) Lesen einer gegebenen Eingabesequenz von Eingabesteuerzeichen im Ausgangsdokument gemäß den genannten Kompatibilitätskriterien; und
f) Schreiben aller geeigneten Ausgabesteuerzeichen in das Zieldokument entsprechend der festen Rangordnung als Ergebnis der Umwandlung der gegebenen Eingabesequenz."
VI. Zur Stützung ihrer Argumentation, daß das beanspruchte Verfahren nicht vom Patentschutz ausgeschlossen sei, brachte die Beschwerdeführerin in der mündlichen Verhandlung vor, daß keiner der beanspruchten Schritte rein gedanklicher Natur und das beanspruchte Verfahren auch nicht auf bloße Software beschränkt seien, sondern darüber hinaus technische (die Hardware betreffende) Merkmale aufwiesen. Die Beschwerdeführerin verwies insbesondere auf die frühere Entscheidung T 186/86 und machte geltend, daß das beanspruchte Verfahren nicht - wie das Editieren - mit sprachlichen Vorgängen zu tun habe, sondern vielmehr mit technischen Problemen, die aufträten, wenn Steuercodes für die Druckerformatierung aus einem in einem Textverarbeitungssystem erstellten Dokument in ein Dokument eines anderen, damit nicht direkt kompatiblen Textverarbeitungssystems umgesetzt werden müßten. Der in Anspruch 1 enthaltene Hinweis auf eine "editierbare" Form sei so zu verstehen, daß das Ausgangsdokument möglicherweise editiert worden sei und auch das Zieldokument editierbar sein werde, wobei das Editieren als solches aber nicht Gegenstand des Anspruchs sei.
Entscheidungsgründe
1. Die Beschwerde ist zulässig (Art. 106 bis 108 und R. 64 EPÜ).
2. Der geänderte Anspruch 1 geht offensichtlich nicht über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinaus.
3. Zu entscheiden ist im vorliegenden Fall
- zum einen darüber, ob der in der angefochtenen Entscheidung angegebene Grund für die Zurückweisung der ursprünglichen Ansprüche, nämlich daß diese ein Verfahren für gedankliche Tätigkeiten betreffen, auch noch für die nunmehr in der Akte befindlichen Ansprüche gilt, und
- zum anderen, ob die neuen Ansprüche auch bei Verneinung dieser ersten Frage nach Artikel 52 (2) c) EPÜ zurückzuweisen sind, weil sie auf ein Computerprogramm gerichtet sind.
Bei der Entscheidung der unter Artikel 52 (2) EPÜ fallenden Fragen gilt es auch der Bestimmung des Artikels 52 (3) EPÜ Rechnung zu tragen, wonach die betreffenden Gegenstände oder Tätigkeiten nur insoweit vom Patentschutz ausgeschlossen sind, als sich die Anmeldung auf diese Gegenstände oder Tätigkeiten als solche bezieht.
4. Problematik der gedanklichen Tätigkeit
Der jetzige Anspruch 1 (vgl. Nr. V) enthält zwar keinen Hinweis auf irgendwelche "Mittel", ist aber gegenüber dem der Zurückweisungsentscheidung zugrunde liegenden Anspruch 1 (vgl. Nr. I) durch Merkmale beschränkt worden, aufgrund deren das beanspruchte Verfahren nicht mehr als rein gedanklich ausführbar ausgelegt werden kann.
Zum einen kann der in den Anspruch aufgenommene Hinweis auf "digitale Daten" im Zusammenhang mit einem Verfahren zur Umwandlung von Text eines Ausgangsdokuments in ein Zieldokument, wie es in den einleitenden Worten des Anspruchs 1 definiert wird, nur im Sinne von Daten in Form digitaler elektrischer Signale (Bits und Bytes) verstanden werden, so daß die in den Anspruch eingeführte Formulierung "digitale Verarbeitung" mithin nichts anderes besagen kann, als daß die in dieser Form vorliegenden Daten vom Prozessor eines Computersystems verarbeitet werden.
Zum zweiten sind die Eingabe- und Ausgabezeichen nun näher als Eingabe- oder Ausgabe"steuer"zeichen spezifiziert. Dadurch ist klargestellt worden, daß nicht Textzeichen gemeint sein können, sondern daß es sich um Zeichen handelt, die Hardwarekomponenten wie einen Drucker beeinflussen.
Nur weil Anspruch 1 - in den Merkmalen a bis d - immer noch Verfahrensschritte enthält, die auf gedanklichem Wege ausgeführt werden können, fällt ihr Gegenstand eingedenk des Artikels 52 (3) EPÜ noch nicht unter das Patentierungsverbot gemäß Artikel 52 (2) EPÜ. Nach der ständigen Rechtsprechung kann eine Mischung nichttechnischer Merkmale ( z. B. gedanklicher Tätigkeiten) und technischer Merkmale grundsätzlich sehr wohl patentiert werden.
Im vorliegenden Fall können die nichttechnischen, auf gedanklichem Weg ausgeführten Schritte a bis d als wesentliche Vorstufe für die Ausführung der anderen Verfahrensschritte angesehen werden. Vor diesem Hintergrund ist nun zu klären, inwieweit der Gegenstand des Anspruchs 1 als Ganzes nicht mehr ist als ein Verfahren für gedankliche Tätigkeiten "als solche", auch wenn die Ausführung auf einem Computer erfolgt. Der bloße Umstand, daß ein Verfahren für gedankliche Tätigkeiten als solche, das normalerweise nach Artikel 52 (2) und (3) EPÜ vom Patentschutz ausgeschlossen ist, von einem entsprechend programmierten Computer ausgeführt wird, verleiht diesem Verfahren, ganz allgemein gesprochen, noch keinen technischen Charakter.
Hier sei insbesondere auf die Entscheidung T 22/85 "Zusammenfassen und Wiederauffinden von Dokumenten/IBM" (ABl. EPA 1990, 12) verwiesen. Dort wurde festgestellt (vgl. Nr. 8 der Entscheidungsgründe), daß zur praktischen Ausführung einer an sich nach Artikel 52 (2) EPÜ ausgeschlossenen Tätigkeit Mittel eingesetzt werden könnten, die selbst als technisch bezeichnet werden könnten, wie z. B. ein durch eine entsprechende Software gesteuerter Rechner, und daß einem Anspruch, der auf eine vom Patentschutz ausgeschlossene Tätigkeit gerichtet sei, gleichzeitig aber diese technischen Merkmale enthalte, nicht in jedem Fall die Gewährbarkeit abzusprechen sei. Wenn jedoch lediglich die zur Ausführung der Tätigkeit erforderliche Schrittfolge als Funktionen oder funktionelle Mittel dargestellt werde, die mit Hilfe herkömmlicher Computer-Hardwareteile realisiert würden, so bringe dies keine technischen Überlegungen ins Spiel und könne deshalb dieser Tätigkeit nicht technischen Charakter verleihen und so über das Patentierungsverbot hinweghelfen.
Ganz ähnlich wurde in der Entscheidung T 158/88 "Schriftzeichenform/Siemens" (ABl. EPA 1991, 566) ausgeführt, die Angabe in einem Patentanspruch, daß bei der Durchführung eines Verfahrens technische Mittel (hier Datensichtgerät) eingesetzt werden sollten, reiche allein nicht aus, um das Patentierungsverbot nach Artikel 52 (2) EPÜ gegenstandslos zu machen.
Die Erfindung gemäß Anspruch 1 bezieht sich auf die Umwandlung von Text aus einem in einer ersten editierbaren Form vorliegenden Ausgangsdokument in ein in eine zweite editierbare Form gebrachtes Zieldokument. Die Umwandlung erfolgt unabhängig von der sprachlichen Bedeutung der verarbeiteten digitalen Textdaten. Sie betrifft hauptsächlich die (Drucker-) Steuerzeichen im Ausgangsdokument und hat nichts mit der sprachlichen Bedeutung der im Text enthaltenen Wörter zu tun, wobei das zu lösende Problem darin besteht, daß die Daten, die diese Steuerzeichen verkörpern, im Ausgangsdokument eine andere Form haben als im Zieldokument.
Die Steuerzeichen haben letztlich unter anderem die Steuerung von Hardware, so etwa eines Druckers, zum Zweck. Sie beziehen sich also auf Vorgänge wie Zeilenschaltung, Seitenwechsel, Absatzschaltung usw., die technischen Charakter aufweisen, und entsprechen den Funktionen, die bei alten mechanischen Schreibmaschinen mit mechanischen Mitteln ausgeführt wurden, bevor vollelektrische Textverarbeitungsgeräte aufkamen. Mit der sprachlichen Seite oder der Aussage der zu verarbeitenden Texte haben solche Steuerzeichen nicht das geringste zu tun.
Nach Ansicht der Kammer sind Steuerzeichen (z. B. Steuerzeichen für einen Drucker), die in einem in Form digitaler Daten vorliegenden Text enthalten sind, für das Textverarbeitungssystem, in dem sie vorkommen, insofern charakteristisch, als sie für dessen interne technische Arbeitsweise kennzeichnend sind.
Deshalb verkörpern diese Steuerzeichen technische Merkmale des Textverarbeitungssystems, in dem sie vorkommen. Diese Feststellung schließt an die Entscheidung T 163/85 "Farbfernsehsignal/BBC" (ABl. EPA 1990, 379) an, wonach ein Farbfernsehsignal, das durch technische Merkmale des Systems gekennzeichnet ist, in dem es vorkommt, d. h. in dem es erzeugt und/oder empfangen wird, nicht unter die Ausschlußbestimmungen des Artikels 52 (2) d) (Wiedergabe von Informationen) und (3) EPÜ fällt (Nr. 2 der Entscheidungsgründe). Infolgedessen stellt die Umwandlung von Steuerzeichen, die als technische Merkmale zu einem Textverarbeitungssystem gehören, in die Steuerzeichen eines anderen Textverarbeitungssystems ein Verfahren dar, das technischen Charakter aufweist.
Die Kammer ist der Auffassung, daß das beanspruchte Verfahren zur Textumwandlung einen Beitrag zum Stand der Technik leistet, der nicht bloß sprachlicher, sondern im wesentlichen technischer Natur ist. Dabei geht es um das technische Problem der Umwandlung digitaler, als Steuerzeichen (für den Drucker) fungierender Daten, die in einer ersten Form vorliegen, in digitale Daten, die immer noch denselben Informationsgehalt besitzen, aber in einer zweiten Form gehalten sind, so daß faktisch eine Kommunikationsverbindung zwischen normalerweise inkompatiblen Textverarbeitungssystemen hergestellt wird. Durch die Lösung dieser Aufgabe führt das Verfahren überdies zu einem entsprechenden Ergebnis, hat also eine technische Wirkung.
In dieser Hinsicht unterscheidet sich der vorliegende Fall ganz deutlich von der früheren Rechtsprechung zur "Textverarbeitung", so etwa der Entscheidung T 186/86 (nicht veröffentlicht). Dieser Entscheidung lag ein Verfahren zum Anzeigen und Editieren räumlich in Beziehung stehender Daten in einem interaktiven Textverarbeitungssystem zugrunde. Die Kammer war im damaligen Fall der Auffassung, daß die Erfindung auf das eigentliche Editieren gerichtet sei und das Editierverfahren die Herstellung eines Textes mit einem bestimmten gewünschten Informationsgehalt und Layout zum Zweck habe; dies bedeute, daß das Verfahren als solches auf die Lösung einer im wesentlichen nichttechnischen Aufgabe abziele. Die Kammer meinte, die Tätigkeit des Texteditierens als solche müsse der Kategorie "Pläne, Regeln und Verfahren für gedankliche Tätigkeiten" zugerechnet werden und sei daher nach Artikel 52 (2) c) und (3) EPÜ von der Patentierung ausgeschlossen.
Unter den gegebenen Umständen spielt es, sobald der technische Charakter des Gegenstands des Anspruchs 1 als Ganzes erwiesen ist, keine Rolle mehr, ob Anspruch 1 eine Reihe einzelner Merkmale enthält oder impliziert, die vielleicht nicht technischer Natur sind, sondern tatsächlich nur eine gedankliche Tätigkeit darstellen.
Es erscheint auch ohne Belang, daß das Lesen von Eingabezeichen und das Schreiben von Ausgabezeichen an sich herkömmliche Merkmale der Funktionsweise eines Rechners sind. Ausschlaggebend ist im vorliegenden Fall, daß diese in den Schritten e und f definierten Funktionen entsprechend den technischen Anforderungen ausgeführt werden, die sicherstellen, daß das technische Ergebnis oder die technische Wirkung tatsächlich, wie zuvor angegeben, erzielt wird.
Ausgehend von diesen Überlegungen gelangt die Kammer zu dem Schluß, daß der Gegenstand des Anspruchs 1 nicht in die Kategorie der in Artikel 52 (2) c) EPÜ genannten Pläne, Regeln und Verfahren für gedankliche Tätigkeiten fällt.
5. Problematik des Computerprogramms
Die Kammer stimmt der Prüfungsabteilung darin zu, daß ein als solches beanspruchtes Computerprogramm ungeachtet seines Inhalts nicht patentierbar ist. Auch wenn man den gemeinsamen Nenner der in Artikel 52 (2) EPÜ verankerten Ausnahmen vom Patentschutz darin sehen könnte, daß nur abstrakte und nichttechnische Gegenstände als solche ausgeschlossen sind (Art. 52 (3) EPÜ), sei darauf hingewiesen, daß auch Computerprogramme, deren "Inhalt" weder abstrakt noch nichttechnisch ist, dem Verbot unterliegen, solange sie als solche beansprucht werden.
Nach der Rechtsprechung der Kammer insbesondere in der Sache T 38/86 "Textverarbeitung/IBM" (ABl. EPA 1990, 384) zielt das EPÜ wohl darauf ab, eine Patentierung (nur) in den Fällen zuzulassen, in denen die Erfindung einen Beitrag zum Stand der Technik auf einem vom Patentschutz nicht ausgeschlossenen Gebiet leistet.
Ein solcher Beitrag ist im Fall des Anspruchs 1, wie bereits dargelegt, gegeben.
Auch wenn davon ausgegangen werden kann, daß die Datenverarbeitungsanlage, in der ein Verfahren zur Umwandlung eines in Form digitaler Daten vorliegenden Textes aus einem Ausgangsdokument in ein Zieldokument mittels digitaler Verarbeitung dieses Textes abläuft, nicht immer ein Spezialrechner (Textverarbeitungsanlage) ist (wie die Beschwerdeführerin unter Hinweis auf "DisplayWrite" geltend gemacht hat), sondern daß durchaus auch ein durch geeignete Programme gesteuerter Universalrechner zum Einsatz kommen kann, bezieht sich das Verfahren gemäß Anspruch 1 nicht bloß auf Computerprogramme als solche, sondern auf ein Verfahren, das faktisch zwei Textverarbeitungssysteme kommunikativ verknüpft.
Nach Ansicht der Kammer leistet das beanspruchte Textumwandlungsverfahren daher einen Beitrag zum Stand der Technik, der sich nicht in Programmiervorgängen erschöpft, sondern im wesentlichen technischen Charakter hat. Dabei geht es um das technische Problem der Umwandlung digitaler, als Steuerzeichen (für den Drucker) fungierender Daten, die in einer ersten Form vorliegen, in digitale Daten, die immer noch denselben Informationsgehalt besitzen, aber in einer zweiten Form gehalten sind, wobei faktisch eine Kommunikationsverbindung zwischen zwei normalerweise inkompatiblen Textverarbeitungssystemen hergestellt wird; durch die Lösung dieser Aufgabe führt das Verfahren zudem zu einem entsprechenden Ergebnis, hat also eine technische Wirkung.
Die Kammer stellt daher folgendes fest: Wird ein Verfahren zur Umwandlung eines digitalisierten Textes, bei dem ein in einer ersten editierbaren Form vorliegendes und eine Reihe von Eingabesteuerzeichen enthaltendes Ausgangsdokument in ein Zieldokument in einer zweiten editierbaren Form mit einer Reihe damit kompatibler Ausgabesteuerzeichen umgewandelt wird, durch einen entsprechend programmierten Computer ausgeführt, so stellen die Schritte dieses Verfahrens nicht ein Computerprogramm als solches, sondern den dem Computerprogramm zugrunde liegenden Algorithmus dar, und das Programm gilt als technisches Mittel zur Ausführung des (technischen) Verfahrens (im Anschluß an die Entscheidung T 208/84 "computerbezogene Erfindung/VICOM", ABl. EPA 1987, 14, insbesondere Nr. 12 der Entscheidungsgründe).
Somit gelangt die Kammer zu dem Schluß, daß sich Anspruch 1 nicht auf Computerprogramme "als solche" im Sinne des Artikels 52 (2) c) EPÜ bezieht.
6. Schließlich betrifft das beanspruchte Verfahren auch keine "Wiedergabe von Informationen" als solche, die nach Artikel 52 (2) d) und (3) EPÜ vom Patentschutz ausgeschlossen wäre, auch wenn die Steuerung eines Druckers oder einer ähnlichen Vorrichtung durch die Steuerzeichen letzten Endes die Wiedergabe von Informationen zum Ergebnis hat.
7. Die Kammer hielte es für verfehlt, die technischen und nichttechnischen Merkmale gegeneinander abzuwägen oder nach dem "Kern" der Erfindung zu suchen und den Rest außer acht zu lassen (im Anschluß an die Entscheidung T 26/86 "Röntgeneinrichtung/KOCH & STERZEL", ABl. EPA 1988, 19). Im vorliegenden Fall ist eine positive Entscheidung der strittigen Frage schon dadurch hinreichend gerechtfertigt, daß, wie vorstehend ausgeführt, ein technischer Beitrag zum Stand der Technik geleistet wird.
Die Kammer kommt daher zu dem Schluß, daß sich der vorliegende Anspruch 1 weder auf Verfahren für gedankliche Tätigkeiten "als solche" noch auf Computerprogramme "als solche", noch auf irgendeinen anderen nach Artikel 52 (2) und (3) EPÜ "als solcher" vom Patentschutz ausgeschlossenen Gegenstand bezieht.
8. Dasselbe muß zwangsläufig auch für die abhängigen Ansprüche 2 bis 7 gelten.
9. Die von der Prüfungsabteilung angeführten Gründe für die Zurückweisung der Anmeldung sind also entfallen, so daß dem Antrag der Beschwerdeführerin auf Aufhebung der angefochtenen Entscheidung stattzugeben ist.
10. Die einzige andere relevante Frage, zu der sich die Prüfungsabteilung geäußert hat, betraf die gewerbliche Anwendbarkeit des damals beanspruchten Gegenstands (Art. 57 EPÜ). Bei dem nun beanspruchten Gegenstand ist dieses Erfordernis nach Meinung der Kammer zweifelsohne erfüllt.
Die Kammer stimmt der Einschätzung der Prüfungsabteilung zu, daß das Erfordernis der gewerblichen Anwendbarkeit nach Artikel 57 EPÜ keinen Vorrang gegenüber den in Artikel 52 (2) EPÜ verankerten Patentierungsbeschränkungen hat.
Da die Prüfungsabteilung die vorliegende Anmeldung nach Artikel 52 (2) EPÜ zurückgewiesen hat, bestand für sie keine Veranlassung, auf die Frage der Neuheit (Art. 54 EPÜ) und der erfinderischen Tätigkeit (Art. 56 EPÜ) einzugehen und die Beschreibung im Hinblick auf Regel 27 EPÜ zu begutachten.
Nachdem nunmehr die in der Akte befindlichen Ansprüche nicht mehr nach Artikel 52 (2) EPÜ zu beanstanden sind, muß die Anmeldung noch auf die soeben angesprochenen Erfordernisse geprüft werden.
Deshalb hält es die Kammer für angezeigt, die Sache, wie von der Beschwerdeführerin beantragt, zur weiteren Entscheidung gemäß Artikel 111 (1) EPÜ an die Prüfungsabteilung zurückzuverweisen.
Entscheidungsformel
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Die Sache wird zur weiteren Entscheidung auf der Grundlage der unter Nummer V aufgeführten in der Akte befindlichen Anmeldungsunterlagen an die Prüfungsabteilung zurückverwiesen.