2.9. Abhilfe
Nach Art. 109 (1) EPÜ muss das Organ in Ex-parte-Verfahren, dessen Entscheidung angefochten wird, der Beschwerde abhelfen, wenn es sie für zulässig und begründet erachtet. Dies ist im Interesse der Verfahrensökonomie. Inter-partes-Verfahren sind grundsätzlich von der Abhilfe ausgenommen. Dem Beschwerdeführer darf kein anderer Beteiligter gegenüberstehen. Eine Einspruchsabteilung darf aber ausnahmsweise ihre Entscheidung im Wege der Abhilfe berichtigen, wenn sie ein Patent wegen eines Verstoßes gegen bestimmte Erfordernisse fälschlicherweise widerruft, das sie nach rechtskräftiger Zwischenentscheidung in geänderter Form aufrechterhalten wollte (s. T 168/03).
Mit dem Ablauf der Dreimonatsfrist nach Art. 109 (2) EPÜ 1973 endet die Zuständigkeit des Organs der ersten Instanz, dessen Entscheidung mit der Beschwerde angefochten wird. Danach ist die Abhilfe nicht mehr möglich (T 778/06).
Art. 109 (1) EPÜ sieht eine Ausnahme vom Grundsatz des allgemeinen Devolutiveffekts der Beschwerde vor, die es dem erstinstanzlichen Organ ermöglichen soll, der Beschwerde abzuhelfen. Diese Ausnahme ist im Zusammenhang mit der Abhilfe und eng auszulegen und darf nicht als eine umfassendere Ermächtigung des erstinstanzlichen Organs verstanden werden, über die Zulässigkeit einer Beschwerde zu entscheiden (T 1973/09; s. auch T 473/91 date: 1992-04-09, ABl. 1993, 630; T 808/03 vom 12. Februar 2004 date: 2004-02-12).
In G 3/03 (ABl. 2005, 344) wurde ausgeführt, dass es Sinn und Zweck der Abhilfe nach Art. 109 (1) EPÜ ist, klare und eindeutige Fälle im Interesse der Verfahrensökonomie nicht den Beschwerdekammern vorlegen zu müssen, weil vorzugsweise die erste Instanz, deren Entscheidung angefochten wird, ihre Entscheidung korrigieren sollte, wenn für sie sofort ersichtlich ist, dass diese nicht bestehen bleiben kann. Zur Rückzahlung der Beschwerdegebühr bei Abhilfe, s. unter Kapitel V.A.11.4.
In T 1558/18 wurden beide Einsprüche gegen das Patent zurückgenommen. Daher stand dem Beschwerdeführer kein anderer am Verfahren Beteiligter im Sinne von Art. 109 (1) EPÜ entgegen. Dass die Einspruchsabteilung die zulässige und im Hinblick auf einen wesentlichen Verfahrensmangel auch begründete Beschwerde der Kammer direkt vorgelegt hat, obschon eine Abhilfe durch sie selbst nach Art. 109 (1) EPÜ geboten war, stellte einen weiteren wesentlichen Verfahrensfehler betreffend das rechtliche Gehör des Beschwerdeführers dar.
In T 638/01 war ein Formblatt falsch ausgefüllt worden, sodass die Beschwerde vom Formalsachbearbeiter im Namen der Einspruchsabteilung direkt an die Beschwerdekammer weitergeleitet wurde; hierbei wurde die Prüfung im Hinblick auf eine mögliche Abhilfe, übersprungen. Die Kammer wies darauf hin, dass eine Abhilfe, wenn angebracht, zwingend zu gewähren ist, woraus a fortiori folgt, dass in Fällen, in denen eine Abhilfe in Frage kommt, deren Prüfung ein zwingend vorgeschriebener Verfahrensschritt ist. Da der Gesetzeszweck des Art. 109 EPÜ jedoch die allgemeine Effizienz des Verfahrens ist, wäre es widersinnig, wenn die Kammer die Sache an die erste Instanz zurückverweisen würde, um den ausgelassenen Schritt nachholen zu lassen.