5.4.4 Erfordernis eines Kontrollmechanismus
Bei kleinen Kanzleien und Abteilungen haben die Kammern manchmal auf das Erfordernis des Kontrollmechanismus verzichtet (s. z. B. J 31/90, T 166/87 vom 16. Mai 1988 date: 1988-05-16, J 11/03, T 1355/09). Zur eigenen Verantwortung des Vertreters, beim Erhalt der zu bearbeitenden Akte selbst eine zusätzliche Kontrolle durchzuführen, s. T 1561/05, T 592/11 und R 18/13, die unter Kapitel III.E.5.5.4 e) "Ureigenster Verantwortungsbereich des Vertreters" zusammengefasst sind.
In T 1355/09 handelte es sich um ein sehr kleines Unternehmen, sodass bereits aus diesem Grund ein Kontrollmechanismus nicht erforderlich war. Die Frist wurde nicht übersehen, sondern es passierte ein Fehler im Rahmen der Zahlungsanweisung für die Beschwerdegebühr, d. h. bei der Ausführung der fristwahrenden Handlung. In einem solchen Fall ist kein Kontrollmechanismus erforderlich, da das Risiko, dass in diesem Zusammenhang ein Fehler passiert, vergleichsweise gering ist. Würde man hier eine Kontrollpflicht verlangen, würde dies de facto zu einer Fristverkürzung führen, denn eine wirksame Kontrolle kann erst nach der Zahlung erfolgen, müsste andererseits aber noch innerhalb der Frist vorgenommen werden, um effektiv zu sein (s. auch T 3029/18 vom 3. Juni 2020 date: 2020-06-03).
In T 166/87 date: 1988-05-16 vertrat die Kammer die Auffassung, dass in einer relativ kleinen Abteilung, in der in der Regel zuverlässiges Personal effizient und auf persönliche Weise arbeitet, ein Kontrollmechanismus, insbesondere im Zusammenhang mit einmaligen Zahlungen, wie es etwa bei der Beschwerdegebühr der Fall ist, billigerweise als überflüssig angesehen werden kann.
In J 31/90 vertrat die Juristische Kammer die Auffassung, dass das System zur Wahrung der Frist zwar bei Weitem nicht perfekt sei, unter den hier gegebenen besonderen Umständen jedoch als in der Regel zufriedenstellend betrachtet werden könne. Das System verband einzelfallspezifische mündliche Anweisungen für die Sekretärin mit Aktenvermerken zur Angabe, welche Unterlagen beim EPA eingereicht werden sollten. Dies sei allerdings nur den besonderen Umständen zu verdanken, unter denen der Vertreter und seine Sekretärin zusammenarbeiteten. In zehnjähriger gemeinsamer Arbeit in einer kleinen Kanzlei habe sich ein ausgezeichnetes, von gegenseitigem Vertrauen geprägtes Arbeitsverhältnis entwickelt.
In J 11/03 bestätigte die Juristische Kammer, dass die Organisationsanforderungen an ein in der Regel effizientes System zur Fristüberwachung unterschiedlich sein können, da Größe und Art des Unternehmens sowie die Zahl der zu überwachenden Fristen berücksichtigt werden müssen. So kann im Unterschied zur Situation bei einem Großunternehmen mit eigener Patentabteilung ein Kontrollmechanismus in einem kleinen Unternehmen, in dem in der Regel zuverlässiges Personal effizient und auf persönliche Weise arbeitet, unter Umständen als entbehrlich angesehen werden (T 166/87 date: 1988-05-16). Der Beschwerdeführer war ein sehr kleines Unternehmen, dessen kaufmännischer Bereich im Wesentlichen nur aus dem kaufmännischen Leiter und der Buchhalterin bestand. Unter diesen Umständen konnte eine zusätzliche Kontrolle der Durchführung der zu leistenden Zahlungen entbehrlich scheinen, ohne das Funktionieren des Systems zu beeinträchtigen.