1.3.9 Anspruchsauslegung bei der Beurteilung der Einhaltung von Artikel 123 (2) EPÜ
In T 1408/04 befand die Kammer, dass man die Ansprüche zwar mit der Bereitschaft auslegen müsse, sie zu verstehen, und nicht mit dem Willen, sie misszuverstehen, doch solle dies lediglich heißen, dass technisch unsinnige Auslegungen ausgeschlossen werden sollten (s. T 190/99). Die fraglichen Begriffe seien technisch breiter auszulegen als vom Beschwerdeführer vorgesehen. Für einen zum Verständnis bereiten Leser müsse ein breiter Begriff nicht enger ausgelegt werden (auch wenn sich die engere Auslegung wie im vorliegenden Fall auf eine auf dem betreffenden technischen Gebiet sehr gebräuchliche, aber nicht ausschließlich verwendete Struktur beziehe). Vielmehr sei der breite Begriff unter Berücksichtigung aller technisch logischen Auslegungen zu interpretieren. Ausgehend von diesem Verständnis der in den Anspruch aufgenommenen beschränkenden Begriffe kam die Kammer zu dem Schluss, dass die Änderung der erteilten Fassung von Anspruch 1 zu einer Zwischenverallgemeinerung führte.
In T 241/13 stellte die Kammer fest, dass die Beschreibung keine genaue Definition der Bedeutung des Begriffs "Mindestintensität" enthielt; die vom Patentinhaber vorgebrachte Auslegung war nicht eindeutig ausgeschlossen. Dass ein solcher mehrdeutiger Begriff in der eingereichten Fassung in einem bestimmten Sinn ausgelegt werden kann, reicht jedoch nicht aus, um zu gewährleisten, dass eine auf dieser Auslegung beruhende Änderung mit Art. 100 c) EPÜ vereinbar ist, der eine unmittelbare und eindeutige Offenbarung in der Anmeldung in der eingereichten Fassung vorschreibt.
In T 1791/16 erklärte die Kammer, dass im Interesse der Rechtssicherheit bei einem mehrdeutigen Anspruch alle Auslegungen zu berücksichtigen sind, die technisch Sinn ergeben. Enthält eine dieser Auslegungen einen Gegenstand, der über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinausgeht, muss geschlossen werden, dass eine unzulässige Erweiterung vorliegt.