1.2. Irgendein gewerbliches Gebiet
In T 74/93 (ABl. 1995, 712) wurde die Anmeldung von der Prüfungsabteilung zurückgewiesen, da Anspruch 5, der auf die Verwendung eines Stoffgemischs zur Empfängnisverhütung (z. B. einer Creme) zum Auftragen auf den Gebärmutterhals eines empfängnisfähigen weiblichen Säugetiers gerichtet war, insoweit nicht nach Art. 57 EPÜ 1973 gewerblich anwendbar sei, als die Verbindung auf den Gebärmutterhals eines weiblichen Menschen aufzutragen sei.
Die Kammer berücksichtigte bei der Abgrenzung zwischen gewerblichen Tätigkeiten, die unter die Verbotswirkung von Patenten fallen, und Tätigkeiten im privaten Bereich, die hiervon nicht berührt werden, dass Art. 57 EPÜ 1973 als Ausdruck der allgemeinen Vorstellung verstanden werden kann, wonach jede natürliche Person das Recht auf Achtung ihrer Privatsphäre hat. Dieses Recht dürfe im Kern niemandem genommen werden. Daher verleihe die Tatsache, dass Empfängnisverhütung für manche Frauen mit einer beruflichen Tätigkeit verbunden sei, einer im Wesentlichen privaten Handlung noch keinen gewerblichen Charakter. Dies gelte nicht für die Empfängnisverhütung im Allgemeinen, sondern nur für die spezielle Art der Anwendung eines Stoffgemischs nach Anspruch 5.
Die Kammer konnte für die in Anspruch 5 definierte unmittelbare Benutzung, für die das Erfordernis des Art. 57 EPÜ 1973 erfüllt sein musste, keinen Bereich ermitteln, in dem sie gewerblich anwendbar wäre. Die Frage, ob es für die gewerbliche Anwendbarkeit ausreiche, dass diese künftig zu erwarten sei, könne unbeantwortet bleiben, da die Behauptung nicht näher begründet wurde.
In T 1165/97 vertrat die Kammer die Auffassung, dass ein Verfahren für die Verwendung einer vaginalen Ausflusssammelvorrichtung und das Entfernen der Sammelvorrichtung nach einmaliger Verwendung als gewerblich anwendbare Verwendung betrachtet werden könne, wenn vorstellbar sei, dass diese Schritte als bezahlte Dienstleistung vorgenommen würden und ihre Ausführung nicht ausschließlich von den Instruktionen der betreffenden Frau abhängig sei. Die Kammer stellte fest, dass nach Art. 57 EPÜ 1973 die Möglichkeit maßgeblich sei, dass eine solche Dienstleistung von einem Unternehmen angeboten werden könne. In diesem Fall entschied die Kammer, dass dies gegeben sei. Die Kammer führte aus, dass im Gegensatz zu dem Fall der Entscheidung T 74/93 die Dienstleistung nicht nur darin bestand, dass die rein persönlichen Bedürfnisse einer betroffenen Frau zu erfüllen waren. Die Entnahme einer Probe könne auch aus äußeren Gründen vorgenommen werden, zum Beispiel auf der Grundlage des Rats eines Mediziners, dass eine solche Probe für den Zweck einer weiterführenden Diagnose entnommen werden solle.