2.6.2 Verfahrensrechtliche Aspekte
Erachtet die Prüfungskommission oder das Sekretariat die Beschwerde für zulässig und begründet, so ist ihr abzuhelfen und anzuordnen, dass die Beschwerdegebühr zurückgezahlt wird (Art. 24 (3) VEP). Wird der Beschwerde nicht innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung der Entscheidung abgeholfen, so wird sie der DBA vorgelegt.
In D 5/19 und D 8/19 führte die Kammer aus, dass die Abhilfebefugnisse der Prüfungskommission nach Art. 24 (3) VEP eine Ausnahme vom Devolutiveffekt einer Beschwerde darstellen. Der Begriff "begründet" (englisch "well-founded", französisch "fondé") bezieht sich auf eine Situation, in der die Prüfungskommission ihre Begründung einer Entscheidung, die dann angefochten wird, angesichts des Beschwerdevorbringens für nicht mehr stichhaltig erachtet, d. h. wenn die Beschwerde die Gründe der angefochtenen Entscheidung entkräftet, etwa wenn Teile der Antworten des Beschwerdeführers zu einer Aufgabe übersehen und nicht bewertet wurden. In diesem Kontext ist "abhelfen" (englisch "rectify", französisch "faire droit") als "berichtigen" oder "ändern" zu verstehen.
Die Kürze der nach Art. 24 (3) VEP vorgesehenen Frist erlaubt es der Prüfungskommission jedoch nicht immer, die Angelegenheit vor Fristablauf vollständig zu überprüfen. Dies zu verlangen, kann kaum die Absicht des Gesetzgebers gewesen sein, woraus sich ableiten lässt, dass die Prüfungskommission die angefochtene Entscheidung innerhalb der Frist für die Abhilfe auch aufheben (einfache Aufhebung) und das Verfahren vor ihr wiederaufnehmen kann. Wenn hingegen die Prüfungskommission die Beschwerde für unzulässig oder unbegründet hält, muss sie die Sache an die Beschwerdekammer in Disziplinarangelegenheiten verweisen, in der Regel ohne Begründung, weil diese einer Entscheidung über die Begründetheit der Beschwerde gleichkäme. Zusammengefasst hat die Prüfungskommission in der Regel die folgenden Optionen nach Art. 24 (3) VEP: Sie kann entweder die angefochtene Entscheidung aufheben und sie durch eine berichtigte Entscheidung ersetzen oder auch nicht, oder sie kann die Sache ohne Angabe von Gründen an die Beschwerdekammer in Disziplinarangelegenheiten verweisen.
Der Kammer zufolge entspricht diese Auslegung des Art. 24 (3) VEP dem Hauptzweck der Abhilfe, nämlich das Beschwerdeverfahren im Interesse der Verfahrensökonomie zu verkürzen, was sowohl dem Beschwerdeführer als auch dem EPA zugutekommt. Zudem erspart es der Beschwerdekammer in Disziplinarangelegenheiten unnötige Arbeit, wenn Abhilfe gewährt wird. Auch wenn dies eine Wiederaufnahme des Verwaltungsverfahrens bedeutet, ist in der Regel davon auszugehen, dass die Prüfungskommission die Streitfragen auf diesem Weg schneller lösen kann als über die Zurückverweisung nach einer umfassenden Prüfung der Beschwerde durch die Disziplinarkammer. Angesichts der begrenzten Überprüfungsbefugnisse, die der Disziplinarkammer durch Art. 24 (1) VEP eingeräumt werden, kann eine Wiederaufnahme des Verfahrens vor der Prüfungskommission für einen Beschwerdeführer sogar von Vorteil sein, weil sie – anders als das Verfahren vor der Beschwerdekammer in Disziplinarangelegenheiten – eine Überprüfung des gesamten Prüfungsverfahrens erlaubt, einschließlich der Neubewertung der Antwort eines Beschwerdeführers auf eine Prüfungsfrage.
Siehe auch die früheren Fälle D 38/05 vom 17.01.2007 date: 2007-01-17 und D 4/06 zu Entscheidungen der Prüfungskommission, D 3/18 und D 4/18 zu Entscheidungen des Sekretariats sowie D 3/14 in V.C.2.6.4 bezüglich der Vorprüfung.