4.2. Verhinderung an der Fristeinhaltung
In T 413/91 hatte der Beschwerdeführer keine Beschwerdebegründung eingereicht, weil er darauf vertraute, mit dem Patentinhaber zu einer Einigung zu gelangen, die dann jedoch nicht zustande kam. Die Kammer war der Meinung, ein solcher Grund rechtfertige keine Wiedereinsetzung, zumal diese als außerordentlicher Rechtsbehelf gedacht sei. Eine Partei, die ganz bewusst auf die Einreichung einer Beschwerdebegründung verzichtet habe, könne nicht durch die Hintertür eines Wiedereinsetzungsantrags doch noch eine Nachprüfung durch die Beschwerdeinstanz erreichen. S. auch T 2331/14, T 578/14.
In J 2/02 stellte die Juristische Kammer fest, Art. 122 EPÜ 1973 impliziere kein Recht des Anmelders, die Aufhebung der Folgen einer absichtlich vollzogenen Handlung zu erwirken. Wenn der Anmelder die Zahlung der Gebühr aus einem anderen Grund als der Verhinderung, die Rechtsvorschriften zu befolgen, aufschiebt – insbesondere aus strategischen und taktischen Gründen –, so geht dies über den Geltungsbereich von Art. 122 EPÜ 1973 hinaus und nimmt dem Anmelder die Möglichkeit, sich auf diesen Artikel zu berufen.
In T 1026/06 unterschied die Kammer den vorliegenden Fall von der Konstellation in den Fällen T 413/91 und J 2/02, in denen die Beschwerdekammern das bewusste Verstreichenlassen einer Frist nicht als Hindernis anerkannt hatten. Diese Fälle seien insofern nicht mit dem vorliegenden vergleichbar, als die Parteien in diesen Fällen aufgrund außerhalb des Verfahrens liegender Motivationen bewusst auf eine fristgerechte Vornahme der erforderlichen Handlungen verzichtet hatten. Der Beschwerdeführer im vorliegenden Fall hingegen war aufgrund eines Rechtsirrtums gehindert, Beschwerde einzulegen.
In J 11/09 unterließ der Vertreter die Zahlung der dritten Jahresgebühr, weil er die Jahresgebühr wegen offener Rechnungen nicht verauslagen wollte. Dementsprechend unterblieb die Zahlung der Jahresgebühr nicht versehentlich, sondern bewusst. Wegen der bewussten Verweigerung der Zahlung konnte auch nicht von einem einmaligen Versehen oder Fehler in einem ansonsten gut funktionierenden System in der Kanzlei des zugelassenen Vertreters gesprochen werden.
In T 250/89 (ABl. 1992, 355) berief sich der Einsprechende darauf, dass er die Beschwerdebegründung nicht fristgerecht habe einreichen können, da er sie notwendigerweise auf Dokumente habe stützen müssen, die von einem Dritten zurückgehalten worden seien. Die Beschwerdekammer bestätigte die ständige Rechtsprechung (G 1/86, ABl. 1987, 447; T 287/84, ABl. 1985, 333), dass bei der Beurteilung der Frage, ob alle nach den gegebenen Umständen gebotene Sorgfalt beachtet worden sei, das Wort "alle" wichtig ist und dass die Versäumung der Frist nicht auf einem Verschulden, sondern auf einem Versehen beruhen muss. Die Kammer lehnte den Wiedereinsetzungsantrag mit der Begründung ab, dass der Einsprechende innerhalb der Frist über genügend Material verfügt habe, um eine Beschwerdebegründung zu verfassen, die den Erfordernissen des Art. 108 Satz 3 EPÜ 1973 und R. 64 EPÜ 1973 genügt hätte.