4.3.7 Vorbringen, das im erstinstanzlichen Verfahren vorzubringen gewesen wäre oder dort nicht mehr aufrechterhalten wurde – Artikel 12 (6) Satz 2 VOBK 2020
Dieser Abschnitt wurde aktualisiert, um die Rechtsprechung und Gesetzänderungen bis 31. Dezember 2023 zu berücksichtigen. Die vorherige Version dieses Abschnitts finden Sie in "Rechtsprechung der Beschwerdekammern", 10. Auflage (PDF). |
(i) Ersetzte Anträge
Das Ersetzen eines früher eingereichten Antrags durch eine neue Fassung führt de facto zur Zurücknahme des früheren Antrags (T 1897/20, T 687/20, T 541/20).
In T 1897/20 erklärte die Kammer, dass es nach Art. 12 (2) VOBK 2020 maßgeblich ist, auf welchen Anträgen die angefochtene Entscheidung beruht und nicht zu welchen Anträgen die Prüfungsabteilung dem Anmelder ihre Auffassung mitgeteilt hat. Indem der Anmelder in seiner Erwiderung auf die der Ladung beigefügte vorläufige Auffassung der Prüfungsabteilung frühere Fassungen der Ansprüche ersetzt hatte, hatte er auf die Möglichkeit verzichtet, eine begründete Entscheidung über diese Anträge zu erhalten. Folglich ließ die Kammer die diesen früheren Anträgen entsprechenden Hilfsanträge nicht zum Beschwerdeverfahren zu.
Auch die Kammer in T 687/20 akzeptierte nicht das Argument des Beschwerdeführers (Patentinhabers), dass er seinen Antrag nicht "aktiv zurückgenommen" habe. Der betreffende Antrag war im Lauf der mündlichen Verhandlung durch eine neue Fassung ersetzt worden. Die Kammer kam zu dem Ergebnis, dass die vorangegangene Fassung im Verfahren vor der ersten Instanz nicht aufrechterhalten worden war. Die Erklärung der Einspruchsabteilung in der Niederschrift drückte eine vorläufige Auffassung aus. Durch das Ersetzen der früheren Fassung hatte der Beschwerdeführer der ersten Instanz die Möglichkeit genommen, über diese zu entscheiden. Siehe auch T 1094/22, wo alle vorangegangenen Anträge in der mündlichen Verhandlung vor der Prüfungsabteilung durch einen neuen Hauptantrag ersetzt wurden.
Siehe auch jüngere Entscheidungen, die sich mit der vergleichbaren Frage befassen, wann Vorbringen "in dem Verfahren, das zu der angefochtenen Entscheidung geführt hat, aufrechterhalten" wurden im Sinne des Art. 12 (4) VOBK 2020: T 1214/21 (Antrag ersetzt), T 1516/20 (Antrag ersetzt), T 526/21 (Einwand nicht aktiv aufrechterhalten).
(ii) Gegenbespiele: für aufrechterhalten befundenes Vorbringen
In T 19/20 hatte der Beschwerdeführer (Einsprechende) im Einspruchsverfahren einen Einwand nach Art. 123 (3) EPÜ gegen den Hauptantrag geltend gemacht. Die Kammer befand, dass dieser Einwand – auch wenn nicht ausdrücklich wiederholt – gegenüber niederrangigeren Anträgen aufrechterhalten worden war, die sich vom Hauptantrag durch Änderungen ohne Bezug zu diesem Einwand unterschieden. Die Erklärung des Beschwerdeführers vor der Einspruchsabteilung, dass er keine Einwände nach Art. 123 (3) EPÜ gegen den Hilfsantrag 2 (den späteren Hauptantrag im Beschwerdeverfahren) habe, war so zu verstehen, dass er keine weiteren Einwände hatte. Nach Auffassung der Kammer war somit die Voraussetzung des Art. 12 (6) Satz 2 VOBK 2020 ("nicht mehr aufrechterhalten") nicht gegeben.