1.5. Parameterbereiche – Festlegung von Ober- und Untergrenzen
Die Sache T 985/06 betraf die Änderung der Obergrenze eines Bereichs, der durch die Unterlagen in der ursprünglich eingereichten Fassung gestützt war, auf eine neue (niedrigere) Obergrenze, die nicht durch die Beschreibung gestützt war. Konkret sollte der (durch die ursprüngliche Beschreibung gestützte) Bereich von "1,05:1 bis 1,4:1" auf "1,05:1 bis weniger als 1,4:1" geändert werden. Die Kammer befand, dass der Bereich "1,05:1 bis 1,4:1" zwar alle Werte innerhalb der so angegebenen Spanne umfasse, die Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung den Bereich aber nur ganz allgemein offenbare, und nicht speziell und somit direkt und eindeutig alle in diesen Bereich fallenden Werte. Die Änderung verstoße daher gegen die Erfordernisse des Art. 123 (2) EPÜ.
In T 1990/10 musste die Kammer entscheiden, ob die Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung eine Grundlage für den Temperaturbereich "unter 35 °C" in Anspruch 1 enthielt. Die Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung offenbarte verschiedene Temperaturen, nämlich sowohl konkrete Temperaturwerte ("30 °C") als auch Temperaturbereiche, und zwar offene Bereiche ("unter 37 °C") ebenso wie geschlossene Bereiche mit definierter Unter- und Obergrenze ("30 °C bis 35 °C"). Der Begriff "unter" war nach Auffassung der Kammer nur zur Definition des breitesten genannten Temperaturbereichs ausdrücklich offenbart, nämlich "unter 37 °C". Die Kammer befand, dass der Bereich "unter 35 °C" auch aus diesem breitesten, offenen Temperaturbereich "unter 37 °C" in Verbindung mit der Obergrenze des geschlossenen Bereichs "30 °C bis 35 °C" nicht implizit herleitbar war. Würde man – in Anwendung der in T 2/81 aufgestellten Kriterien – die Unter- und die Obergrenze des geschlossenen Bereichs mit dem breitesten Temperaturbereich kombinieren, ergäben sich die Temperaturbereiche "30 °C bis unter 37 °C" und "35 °C bis unter 37 °C", nicht aber der offene Temperaturbereich "unter 35 °C". Hinzu kommt, dass der geschlossene Temperaturbereich "30 °C bis 35 °C" die spezifische Temperatur von "35 °C" einschließt, während der in Anspruch 1 genannte offene Bereich "unter 35 °C" diesen Wert ausdrücklich ausschließt.
In T 83/13 umfasste der Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 das Merkmal "Mengenanteil unter 15 Gew.-%". Der Anspruch und die Beschreibung in der ursprünglich eingereichten Fassung nannten einen Mengenanteil zwischen 5 und 20 % bzw. zwischen 8 und 15 %. Nach Ansicht der Kammer umfasste die Formulierung "Mengenanteil unter 15 Gew.-%" auch um eine oder mehrere Dezimalstellen abweichende Konzentrationswerte, von denen aus man je nach Präzision der Messmethode oder einfach durch Anwendung der Rundungsregeln zu dem ganzen Wert von 15 % gelangen könnte. Ein Ersetzen des Konzentrationswerts "15,0 Gew.-%" durch "einen Mengenanteil unter 15 Gew.-%" stellte keine andere technische Lehre dar und auch keine neue technische Funktion hinsichtlich des beanspruchten Konzentrationsbereichs; aus technischer Sicht war der Schutzbereich im vorliegenden Fall auch nach der Änderung gleich geblieben (vgl. T 112/10). Die Kammer fügte hinzu, dass diese Entscheidung im Einklang mit der Rechtsprechung der Beschwerdekammern zu Neuheit und Rundung von Werten steht (s. T 234/09 und T 1186/05).
In T 1986/14 wurde Anspruch 6 des Hauptantrags durch Aufnahme des Merkmals "Glycerin in einer Menge von 50 bis 90 Gew.-% der Zusammensetzung" geändert. Der Beschwerdeführer machte geltend, für die Glycerinmenge in Anspruch 6 finde sich eine Grundlage in der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung, in der es heiße: "Glycerinfeuchtigkeitsspender kann von Fall zu Fall in einer Menge von ca. 50,00 bis ca. 90,00 Gew.–% vorhanden sein". Nach Auffassung der Kammer war unbestritten, dass die Angaben 50 % und 50,00 % unterschiedlich genau sind. Daher konnten die Angaben 50,00 % bzw. 90,00 % für sich genommen keine Grundlage für die Merkmale 50 % bzw. 90 % bilden. Der Anmelder hielt dem entgegen, dass aus der Verwendung des Worts "ca." in der genannten Passage hervorgehe, dass die beanspruchte Menge nicht auf Bereiche beschränkt werden sollte, die durch Endpunkte mit vier relevanten Stellen definiert wurden. Für die Kammer offenbarte das Merkmal "ca. 50,00 % bis ca. 90,00 %" einen Bereich mit zwei Endpunkten, nämlich 50,00 % und 90,00 %, und einen Bereich mit unbestimmten Grenzen darum herum. Ein anderer Endpunkt wie etwa 50 % oder 50,0 % wurde weder implizit noch explizit offenbart.
In T 2203/14 wurde die Obergrenze eines Bereichs für die Dicke der korrosionsbeständigen Schicht, die in Anspruch 1 in der eingereichten Fassung mit "ca. 5 Mikrometern" angegeben worden war, angesichts eines Stands der Technik, der einen Wert von 5,2 offenbarte, in "ca. 5,0 Mikrometer" geändert. Die Kammer rief in Erinnerung, dass laut Rechtsprechung beim Vergleichen eines Wertes aus dem Stand der Technik mit einem beanspruchten Wert dem Wert aus dem Stand der Technik dieselbe Genauigkeit zu geben sei wie dem beanspruchten Wert (unter Verweis auf T 871/08 vom 8. Dezember 2011 date: 2011-12-08 und T 175/97). Daher könne – im vorliegenden Fall – "ca. 5,0" nicht dasselbe bedeuten wie "ca. 5". In der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung wurde für die korrosionsbeständige Schicht durchgehend nur der Wert von 5 Mikrometern angegeben. Die Tatsache, dass für die Obergrenze einer anderen Schicht in der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung 5,0 und 5 angegeben wurden, hatte keinerlei Auswirkungen auf den fraglichen Wert, denn die beiden Schichten waren nicht in dem Maße miteinander verbunden, dass eine bestimmte Genauigkeit für eine Schicht zwangsläufig dieselbe Genauigkeit für die andere Schicht implizierte. Die Kammer kam zu dem Schluss, dass der geänderte Wert "ca. 5,0" nicht unmittelbar und eindeutig aus der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung ableitbar war.