4.4. Antrag auf erneute mündliche Verhandlung vor demselben Organ
In T 731/93 stellte die Kammer fest, dass der "Sachverhalt", so wie er nach dem Wortlaut des Art. 116 (1) EPÜ 1973 in allen drei Amtssprachen zu verstehen sei, nicht mehr derselbe sein könne, wenn neue Beweismittel zum Verfahren zugelassen worden seien.
In T 194/96 waren nach der ersten mündlichen Verhandlung neue Entgegenhaltungen eingereicht worden, die relevanter waren als die bis dahin eingereichten und den Tenor der Entscheidung grundlegend ändern konnten und tatsächlich auch geändert haben. Die Kammer vertrat die Auffassung, dass in diesem Fall der dem Verfahren zugrunde liegende Sachverhalt nicht mehr derselbe sein könne.
In T 1880/11 hatte die Kammer in einer ersten Entscheidung die Erteilung des Patents auf der Grundlage einer vorzunehmenden entsprechenden Anpassung des Hauptantrags und der Beschreibung angeordnet; die Prüfungsabteilung wies die Anmeldung daraufhin ein zweites Mal ohne mündliche Verhandlung zurück. Die Kammer stellte fest, dass der Prüfungsabteilung ein neuer Sachverhalt vorgelegen habe, nämlich die Frage, wie die Beschreibung und die Zeichnungen anzupassen seien, um der Anordnung der Kammer nachzukommen. Im Rahmen der mündlichen Verhandlung hätte zumindest erörtert werden können, ob der zwischen der Prüfungsabteilung und dem Anmelder strittige Teil der ersten Beschwerdeentscheidung zu den tragenden Gründen dieser Entscheidung gehörte und wie er auszulegen war.
In T 2106/09 hatte die Beschwerdekammer in einer ersten Entscheidung die Sache an die Einspruchsabteilung zurückverwiesen. Der Beschwerdeführer hatte mit seiner Beschwerdebegründung die Sachlage insofern geändert, als er unter anderem eine neue Entgegenhaltung eingereicht und mangelnde erfinderische Tätigkeit auf der Basis der Kombination der Lehren verschiedener Entgegenhaltungen geltend gemacht hat. Entgegen der Meinung der Einspruchsabteilung lag damit keine "unveränderte Sachlage" vor. Durch den Erlass der angefochtenen Entscheidung ohne Durchführung einer seitens des Beschwerdeführers beantragten mündlichen Verhandlung war das rechtliche Gehör verletzt. S. T 120/96, T 679/97, T 1548/11.
In T 1775/12 erachtete die Kammer die Verfahrensfrage der Zulassung von Änderungen, die auf eine Mitteilung nach R. 71 (3) EPÜ hin eingereicht werden (R. 137 (3) EPÜ), als einen "dem Verfahren zugrunde liegenden Sachverhalt" im Sinne von Art. 116 (1) Satz 2 EPÜ, der sich von den zuvor in der mündlichen Verhandlung erörterten materiellrechtlichen Fragen unterschied.