5.2.2 Fälle, in denen die Beweislast umgekehrt wurde
In T 131/03 stellte die Kammer fest, sobald der Einsprechende die starke Vermutung aufgestellt hat, dass unübliche Parameter, wie sie zur Definition des beanspruchten Gegenstands verwendet worden seien, im Stand der Technik implizit offenbart worden seien, kann der Patentinhaber nicht lediglich beantragen, dass zulasten des Einsprechenden entschieden wird. Es sei Sache des Patentinhabers, nachzuweisen, inwiefern die in der Definition seiner Erfindung verwendeten Parameter den beanspruchten Gegenstand vom Stand der Technik unterschieden (gefolgt von T 2732/16). S. auch T 1452/16 (unübliche Parameter – angebliche Vorbenutzung – öffentliche Verfügbarkeit eines Produkts): Was die Möglichkeit des Patentinhabers betraf, an Muster zu gelangen und diese zu testen, erklärte die Kammer, dass sich beim Testen von nach dem Prioritätstag hergestellten Mustern die berechtigte Frage stellen konnte, ob die erhaltenen Ergebnisse für die Verhältniswerte in den Mustern des Stands der Technik repräsentativ waren. Aufgrund der Nutzung eines im Stand der Technik nicht verwendeten Parameters lag es jedoch am Patentinhaber zu beweisen, dass der Stand der Technik nicht unter den Anspruch fiel.
In T 1666/16 argumentierte der Beschwerdeführer (Einsprechende) mit Verweis auf T 131/03 und T 740/01, dass der Böschungswinkel (PVDF-Harzpulver) ein unüblicher Parameter im Zusammenhang mit PVDF-Harzen sei. Daher sei eine Umkehr der Beweispflicht legitim, und der Patentinhaber, der sich für diesen unüblichen Parameter als einziges Unterscheidungsmerkmal gegenüber dem in Beispiel 4 von D1 offenbarten Pulver entschieden hatte, solle nachweisen, dass das Pulver aus D1 diesen Parameter nicht erfülle. Die Kammer entschied, dass den beiden Entscheidungen T 131/03 und T 740/01 dieselben Erwägungen zugrunde lagen, nämlich dass bei Vorliegen einer starken Vermutung, dass ein durch einen unüblichen Parameter definierter Anspruchsgegenstand im Stand der Technik implizit offenbart ist, der Patentinhaber nicht lediglich beantragen kann, dass zulasten des Einsprechenden entschieden wird, sondern nachweisen muss, dass die gewählte parametrische Definition den Anspruchsgegenstand vom Stand der Technik unterscheidet. Im vorliegenden Fall gelang es dem Beschwerdeführer jedoch nicht zu zeigen, dass der unübliche Parameter im Stand der Technik implizit offenbart war, weswegen eine Umkehr der Beweislast nicht gerechtfertigt war.
- T 555/18
Catchword:
If the only feature that distinguishes a claim from the closest prior art is a range of an unusual parameter and it is concluded that it would be obvious for the skilled person to solve the underlying technical problem in ways that can be presumed to inherently lead to values within or close to the claimed range, it is the proprietor who should bear the burden of proof to demonstrate that implementing such solutions would not lead to the claimed parametrical range.
- Jahresbericht: Rechtsprechung 2022
- Zusammenfassungen der Entscheidungen in der Verfahrensprache