1. Rechtlicher Charakter des Beschwerdeverfahrens
Mit der Einleitung eines Beschwerdeverfahrens geht die Zuständigkeit für den Fall von der ersten Instanz auf die Beschwerdekammern über (sogenannter Devolutiveffekt, vgl. dazu T 473/91 date: 1992-04-09, ABl. 1993, 630; T 830/03; T 555/08).
Soweit eine Beschwerdekammer mit einer Beschwerde befasst wird, erstreckt sich nach T 1382/08 der Devolutiveffekt nur auf den in der Beschwerdebegründung angegebenen Teil der angefochtenen Entscheidung, der tatsächlich mit der Beschwerde angegriffen wird. Für die Kammer stellt somit der unter R. 99 (2) EPÜ definierte Umfang, in welchem die angefochtene Entscheidung abzuändern ist, gleichzeitig die Grenze des Devolutiveffekts dar. Dies wiederum impliziert, dass der von der Beschwerdebegründung nicht umfasste Teil der angefochtenen Entscheidung auch nicht Teil des Beschwerdeverfahrens werden kann und folglich mit Ablauf der Beschwerdefrist rechtskräftig wird. Diesen Ansatz verfolgte dieselbe Beschwerdekammer auch in T 448/09. Nur diejenigen Fragen, die in der Entscheidung geprüft und entschieden wurden, können später im Beschwerdeverfahren angefochten werden (T 2117/11). Die Kammer in T 689/09 stellte hingegen fest, dass ihr zwar die Rechtsprechung bekannt sei, wonach auch die Unterscheidung zwischen verschiedenen Rechtswirkungen einer Entscheidung unter den nach R. 99 (2) EPÜ darzulegenden Umfang, in welchem die Entscheidung abzuändern ist, falle (T 1382/08), dass bei diesem Ansatz der Begriff "Beschwerdegegenstand" jedoch noch diffuser und schwerer zu fassen werde. S. auch dieses Kapitel V.A.3.2 "Gegenstandsprüfung".
Im Beschwerdeverfahren verliert die erste Instanz ihre Zuständigkeit für die Weiterbehandlung der Anmeldung für alle Vertragsstaaten – die Beschwerde führt nicht dazu, dass ein Teil der Anmeldung in der ersten Instanz anhängig bleibt. Somit tritt eine Rücknahmefiktion nach Art. 110 (3) EPÜ 1973 ein, wenn in einem Ex-parte-Beschwerdeverfahren ein Bescheid nach Art. 110 (2) EPÜ 1973 unbeantwortet bleibt, auch wenn in der angefochtenen Entscheidung nicht die Anmeldung, sondern nur ein bestimmter Antrag zurückgewiesen wurde. Die Kammer führte aus, selbst wenn es in der angefochtenen Entscheidung nur um die Benennung eines Staats und nicht um die Anmeldung als Ganzes gehe, betreffe die aufschiebende Wirkung der Beschwerde die Anmeldung insgesamt – eingedenk des Grundsatzes der Einheit der Patentanmeldung und des Patents im Verfahren (J 29/94, ABl. 1998, 147).
Der Devolutiveffekt der Beschwerde berührt die Zuständigkeit der erstinstanzlichen Abteilung nicht, über einen Antrag zu entscheiden, der den Inhalt der Niederschrift über die vor ihr abgehaltene mündliche Verhandlung betrifft. Der höheren Instanz obliegt es vielmehr, den Gegenstand der Entscheidung, gegen die Beschwerde eingelegt wurde, erneut zu bewerten (T 1198/97).