3. Antrag auf Überprüfung nach Artikel 112a EPÜ
Art. 112a EPÜ wurde auf Anregung der Großen Beschwerdekammer (G 1/97; ABl. 2000, 322) in das EPÜ 2000 aufgenommen. Zweck dieser Vorschrift ist es nicht, die Große Beschwerdekammer zu einer dritten Instanz zu machen (R 5/16: zweite gerichtliche Instanz), sondern eine begrenzte gerichtliche Überprüfung von Entscheidungen der Beschwerdekammern zu ermöglichen. Die Gründe, auf die ein Überprüfungsantrag gestützt werden kann, hat der Gesetzgeber erschöpfend aufgezählt, nämlich erstens schwerwiegende Verfahrensmängel im Beschwerdeverfahren und zweitens das Vorliegen einer Straftat, die die Entscheidung beeinflusst haben könnte (Art. 112a (2) EPÜ).
Art. 112a EPÜ konkretisiert das durch Art. 6 EMRK garantierte Recht auf ein faires Verfahren (R 9/14). Aus der Aufzählung in Art. 112a (2) a) bis c) EPÜ und insbesondere aus dem Wortlaut des Art. 112a (2) d) EPÜ wird ersichtlich, dass ein Überprüfungsantrag nur auf schwerwiegende (nicht auf geringfügige) Verfahrensmängel gestützt werden kann (Erläuterungen in ABl. SA 4/2007, 126; s. auch R 8/14). Überprüfungsverfahren sind Verfahrensmängeln vorbehalten, die so schwerwiegend sind, dass sie für das Rechtssystem nicht hinnehmbar sind und eine Abweichung vom Grundsatz rechtfertigen, dass Verfahren, die zu einer rechtskräftigen Entscheidung geführt haben, im Interesse der Rechtssicherheit nicht wiedereröffnet werden sollten (R 16/12, R 8/16). Mit Art. 112a EPÜ wird ein außerordentlicher Rechtsbehelf ("exceptional means of redress": R 1/08, R 2/12 vom 17. Oktober 2012 date: 2012-10-17, R 5/14, R 18/11, R 3/14; s. auch R 9/14; "extraordinary legal remedy": Travaux préparatoires, MR/21/00, s. auch R 1/08, R 20/10, R 1/11, R 3/11) bereitgestellt, und seine Bestimmungen sind strikt anzuwenden (R 1/08, R 23/10). Ein Überprüfungsantrag hat keine aufschiebende Wirkung (Art. 112a (3) EPÜ).
Vom 13. Dezember 2007 (dem Inkrafttreten des Art. 112a EPÜ) bis 31. März 2022 wurden 169 Entscheidungen der Großen Beschwerdekammer über Überprüfungsanträge (ohne zurückgenommene oder als nicht eingereicht geltende Anträge) im Internet veröffentlicht. In neun Fällen (R 7/09, R 3/10, R 15/11, R 21/11, R 16/13, R 2/14 vom 22. April 2016 date: 2016-04-22, R 3/15, R 4/17 und R 5/19) wurde die angefochtene Entscheidung aufgehoben und das Beschwerdeverfahren wiedereröffnet; die übrigen Anträge wurden zurückgewiesen.