6. Ausführbarkeit
In T 281/86 (ABl. 1989, 202) wurde festgestellt, dass Art. 83 EPÜ 1973 auch nicht verlangt, dass ein konkret beschriebenes Verfahrensbeispiel exakt wiederholbar sein muss. Abweichungen in der Beschaffenheit eines in einem Verfahren verwendeten Mittels sind für eine ausreichende Offenbarung unerheblich, sofern das beanspruchte Verfahren zuverlässig zum gewünschten Erzeugnis führt. S. auch T 292/85 (ABl. 1989, 275); T 299/86 date: 1987-09-23 (ABl. 1988, 88); T 181/87, T 212/88 (ABl. 1992, 28); T 182/89 (ABl. 1991, 391); T 19/90 (ABl. 1990, 476).
In G 1/03 (Nr. 2.5 der Gründe) erklärte die Große Beschwerdekammer, dass eine mangelnde Wiederholbarkeit der beanspruchten Erfindung für das Erfordernis der ausreichenden Offenbarung relevant ist, wenn die technische Wirkung ein technisches Merkmal des Anspruchs ist, denn dann handelt es sich um ein den Anspruchsgegenstand charakterisierendes Merkmal (T 1079/08). Die mangelnde Ausführbarkeit der beanspruchten Erfindung (d. h. die beanspruchten Merkmale erzielen nicht die angestrebte Wirkung) wird im Falle einer Wirkung, die nicht im Anspruch definiert, aber Teil der zu lösenden Aufgabe ist, als "Problem bezüglich der erfinderischen Tätigkeit" betrachtet. Ist die Wirkung im Anspruch definiert, so liegt eine unzureichende Offenbarung vor (G 1/03, ABl. 2004, 413 und T 939/92, ABl. 1996, 309, zitiert in T 2001/12; s. auch T 1845/14).
Nach der ständigen Rechtsprechung ist das Erfordernis der ausreichenden Offenbarung nach Art. 83 EPÜ nicht erfüllt, wenn eine im Anspruch ausgedrückte Wirkung nicht reproduziert werden kann (Zusammenfassung der Rechtsprechung in T 1473/13, s. auch T 1845/14).
In T 161/18 nutzte die Anmeldung ein künstliches neuronales Netz zur Transformation der an der Peripherie gemessenen Blutdruckkurve in den äquivalenten Aortendruck. Bezüglich des Trainings des erfindungsgemäßen neuronalen Netzes offenbarte die Anmeldung lediglich, dass die Eingabedaten ein breites Spektrum von Patienten unterschiedlichen Alters, Geschlechts, Konstitutionstyps, Gesundheitszustands und dergleichen abdecken sollten, damit es nicht zu einer Spezialisierung des Netzes kommt. Die Anmeldung offenbarte jedoch nicht, welche Eingabedaten zum Trainieren des erfindungsgemäßen künstlichen neuronalen Netzes geeignet sind, oder mindestens einen zur Lösung des vorliegenden technischen Problems geeigneten Datensatz. Das Trainieren des künstlichen neuronalen Netzes konnte daher vom Fachmann nicht nachgearbeitet werden und der Fachmann konnte die Erfindung deshalb nicht ausführen. Die vorliegende, auf maschinellem Lernen insbesondere im Zusammenhang mit einem künstlichen neuronalen Netz beruhende Erfindung war somit nicht ausreichend offenbart, da das erfindungsgemäße Training mangels entsprechender Offenbarung nicht ausführbar war.