2.2. Prüfungsbedingungen – Gleichbehandlungsgrundsatz
In D 2/95 (s. oben) wurde darauf hingewiesen, dass die Behauptung, dass der Beschwerdeführer aufgrund der einigen anderen Bewerbern erteilten Erlaubnis, normales Papier statt Durchschreibepapier zu verwenden, diskriminiert worden sei, keine Verletzung der Prüfungsbestimmungen darstellt. Es mag sein, dass einige Bewerber das Letztere als mühsamer empfinden, aber auch das Umgekehrte kann vorkommen. Tatsächlich wurde nur zwei Bewerbern die Verwendung von normalem Papier erlaubt, und zwar aus medizinischen Gründen.
In D 14/95 war der Beschwerdeführer Spezialist für Biochemie, wohingegen die Prüfungsarbeit C aus dem Gebiet des Maschinenbaus stammte. Die Kammer war der Auffassung, dass schon deshalb kein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz vorliegt, da das Problem des "anderen" Fachgebietes alle, d. h. alle diejenigen, die nicht Fachleute auf einem bestimmten, zum Gegenstand der Prüfung gehörenden Gebiet sind, trifft. Es ist dem Beschwerdeführer einzuräumen, dass das Prüfungsverfahren im Ergebnis zu einer gewissen "Ungleichheit" führt. Bei der Auswahl der technischen Fachgebiete muss sich die Prüfungskommission auf bestimmte festlegen, da nur eine begrenzte Zahl von Prüfungsarbeiten geschrieben werden. Immer wird es deshalb Kandidaten geben, die gerade in dem ausgewählten Fachgebiet spezialisierter sind als ihre Kollegen. Solche Unterschiede sind aber bei einer allgemeinen Prüfung systemimmanent und stellen daher keine willkürliche Ungleichbehandlung dar. Das gilt insbesondere auch deshalb, weil es bei der Prüfungsaufgabe C vordergründig nicht um den Nachweis von technischem Fachwissen geht, sondern um den Nachweis der Befähigung, eine Einspruchsschrift gegen ein europäisches Patent auszuarbeiten.
Hintergrund mehrerer Beschwerden (D 10/97, D 15/97, D 17/97 und D 5/97) war der Umstand, dass in einigen (aber nicht allen) Exemplaren der Prüfungsaufgabe D die Frage 11 fehlte und die Prüfungskommission allen Bewerbern für diese Frage automatisch die volle Punktezahl gab. Die Beschwerdekammer stellte fest, dass sich, wie schon in D 14/95 ausgeführt, aus dem Grundsatz der Gleichbehandlung kein Anspruch auf absolute Gleichbehandlung ableiten lasse, solange in einer gegebenen Situation die Ungleichbehandlung nach Art und Ausmaß sachlich vertretbar sei. Ein zu beanstandender Rechtsfehler läge allerdings dann vor, wenn die Prüfungsbedingungen so gewählt würden, dass sie einen Teil der Bewerber benachteiligten, ohne dass hierfür ein sachlich vertretbarer Grund erkennbar wäre. Die Prüfungskommission habe den von den unvollständigen Prüfungsunterlagen betroffenen Kandidaten einen Ausgleich gewährt, der durchaus angepasst erscheine. Auch wenn sich daraus zwangsläufig eine gewisse Ungleichbehandlung der Bewerber ergebe, so sei diese in ihrem Ausmaß geringfügig und in der besonderen Situation vertretbar. Insbesondere könne damit sichergestellt werden, dass keiner der Bewerber schlechter gestellt werde als bei einer objektiven Beurteilung seines Ergebnisses. Die von der Prüfungskommission gewählte Korrektur des Versehens stelle nach der Überzeugung der Kammer keine rechtswidrige Ungleichbehandlung dar.
Die Beschwerde in D 11/19 betraf das Pilotprojekt während der EEP 2019, bei dem 15 nach dem Zufallsprinzip ausgewählte Bewerber während der Prüfung auch einen Laptop mit einem Text-Editor verwenden durften. Der Beschwerdeführer, der die Prüfung unter regulären Bedingungen (vgl. Art. 9 (2) b) VEP und Anweisungen an die Bewerber) ablegte, machte in seiner Beschwerde geltend, dass diese Bewerber einen ungerechtfertigten Vorteil gehabt hätten. Die Kammer berief sich auf die ständige Praxis der Beschwerdekammer in Disziplinarangelegenheiten, die Einhaltung des Gebots der Gleichbehandlung von Bewerbern der EEP als höherrangiges Recht zu überprüfen (D 2/95; D 14/95; D 10/97; D 5/99; D 19/04). Sie kam zu dem Schluss, dass die Durchführung des Pilotprojeks diesen Grundsatz verletzt hat, weil es eine Ungleichbehandlung der jeweiligen Teilnehmerkreise bewirkte, die objektiv nicht gerechtfertigt war. Siehe auch D 15/19.