9.3.2 Ungeprüfte Fragen der Patentierbarkeit
Dieser Abschnitt wurde aktualisiert, um die Rechtsprechung und Gesetzänderungen bis 31. Dezember 2023 zu berücksichtigen. Die vorherige Version dieses Abschnitts finden Sie in "Rechtsprechung der Beschwerdekammern", 10. Auflage (PDF). |
In T 1966/16 befand die Kammer, dass der einzige in der angefochtenen Entscheidung angegebene Grund für die Zurückweisung, nämlich mangelnde erfinderische Tätigkeit, nicht stichhaltig war. Sie stellte fest, dass hier insofern besondere Gründe vorlagen, als es die Prüfungsabteilung unterlassen hatte, eine beschwerdefähige Entscheidung zu offenen Fragen hinsichtlich Art. 83, 84 und 123 (2) EPÜ zu erlassen. Art. 11 VOBK 2020 ist nicht so zu verstehen, dass die Kammer die Anmeldung umfassend auf die Erfüllung der Erfordernisse nach Art. 83, 84 und 123 (2) EPÜ prüft, für die noch keine erstinstanzliche Entscheidung vorliegt (s. auch T 2519/17).
In T 731/17 war die erfinderische Tätigkeit gegenüber D1 bis D4 noch nicht im Detail beurteilt worden. Ferner hätte eventuell noch ermittelt werden müssen, ob D2 überhaupt Stand der Technik nach Art. 54 (2) EPÜ ist. Ohne Zurückverweisung hätte die Kammer diese Aufgaben sowohl im erstinstanzlichen als auch im letztinstanzlichen Verfahren ausführen und de facto die Prüfungsabteilung ersetzen müssen, anstatt die angefochtene Entscheidung gerichtlich zu überprüfen (s. auch T 658/17).
In T 1627/17 war die ausreichende Offenbarung der einzige Einspruchsgrund, auf dessen Grundlage eine Entscheidung ergangen war. Alle Beteiligten am Beschwerdeverfahren beantragten, die Sache an die Einspruchsabteilung zurückzuverweisen, um die weiteren Einspruchsgründe zu prüfen, die der Einsprechende in seiner Einspruchsschrift erhoben hatte (mangelnde Neuheit und mangelnde erfinderische Tätigkeit). Die Kammer führte aus, dass zwar das EPÜ den Beteiligten kein absolutes Recht garantiere, alle Aspekte in der Sache von zwei Instanzen prüfen zu lassen, es aber unbestritten sei, dass jeder Beteiligte die Gelegenheit erhalten könne, die wichtigen Bestandteile eines Falls in zwei Instanzen prüfen zu lassen. Der wesentliche Zweck einer Beschwerde sei die Überprüfung, ob die Entscheidung der erstinstanzlichen Abteilung richtig war. Im vorliegenden Fall seien die oben genannten Fakten, einschließlich des gemeinsamen Antrags aller Beteiligten, besondere Gründe im Sinne von Art. 11 VOBK 2020. S. auch T 516/18.
In T 2450/17 stützte sich die angefochtene Entscheidung ausschließlich auf die Einspruchsgründe nach Art. 100 b) EPÜ und Art. 100 c) EPÜ. Weil die wegen fehlender Neuheit und fehlender erfinderischer Tätigkeit gegen das Patent erhobenen Einwände von der ersten Instanz nicht umfassend geprüft worden waren, lagen hier besondere Gründe vor, die es rechtfertigten, die Angelegenheit zur weiteren Entscheidung an die erste Instanz zurückzuverweisen, wie von allen Parteien beantragt. Andernfalls müsste die jeweils unterliegende Seite eine erstmalige, aber zugleich abschließende Entscheidung ohne Rechtsmittelmöglichkeit zu essenziellen Patentierungsvoraussetzungen hinnehmen, nur weil zuvor bereits eine Entscheidung zu anderen Patentierungsvoraussetzungen ergangen war, die einer rechtlichen Prüfung indes nicht standgehalten hatte. S. die vergleichbar gelagerten Fälle T 731/17, T 1754/15 und T 1966/16.