3.4. Entscheidungsbegründung
Der Anspruch auf rechtliches Gehör ist in Art. 113 EPÜ verankert, der lautet: "Entscheidungen des Europäischen Patentamts dürfen nur auf Gründe gestützt werden, zu denen die Beteiligten sich äußern konnten." In ihrer Rechtsprechung zur Begründungspflicht nach R. 111 (2) EPÜ nehmen die Beschwerdekammern Bezug auf diesen Grundsatz. Der Grundsatz des rechtlichen Gehörs nach Art. 113 (1) EPÜ beinhaltet nicht nur das Recht, sich zu äußern, sondern auch das Recht darauf, dass diese Äußerungen gebührend berücksichtigt werden (s. z. B. R 8/15; J 7/82, ABl. 1982, 391; T 508/01; T 763/04; T 1123/04 und T 246/08). Das Vorbringen eines Beteiligten muss in der anschließenden Entscheidung berücksichtigt werden (J 7/82, ABl. 1982, 391 und T 246/08). In R 8/15 stellte die Große Beschwerdekammer fest, Art. 113 (1) EPÜ impliziert, dass die Beschwerdekammern des EPA ihre Entscheidungen ausreichend begründen müssen, um zu belegen, dass die Beteiligten gehört wurden. Ein Beteiligter muss erkennen können, ob die Kammer ihm – seiner Meinung nach – das Recht auf Anhörung gewährt hat, damit er entscheiden kann, ob er einen Antrag nach Art. 112a (2) c) EPÜ stellt. Art. 113 (1) EPÜ ist aber enger auszulegen als R. 102 g) EPÜ, nach der eine Kammer ihre Entscheidung begründen muss; ein Verstoß gegen diese Regel ist aber für sich genommen kein Überprüfungsgrund. Für die Wahrung des rechtlichen Gehörs bedeutet dies, dass die Begründung zwar unvollständig sein kann, solange sie aber den Schluss zulässt, dass die Kammer im Laufe des Beschwerdeverfahrens einen bestimmten in diesem Verfahren vorgebrachten und für relevant befundenen Punkt sachlich geprüft hat, kein Verstoß gegen Art. 113 (1) EPÜ vorliegt.
So wies die Kammer in T 1123/04 darauf hin, dass das durch Art. 113 (1) EPÜ garantierte Recht, sich zu äußern und seinen Standpunkt darzulegen, ein fundamentaler Grundsatz des Prüfungs-, Einspruchs- und Beschwerdeverfahrens ist. Sie zitierte T 508/01, wonach dies nicht nur das Recht beinhaltet, sich zu äußern, sondern auch das Recht darauf, dass diese Äußerungen gebührend berücksichtigt werden.
In T 246/08 stellte die Kammer fest, dass aus den Gründen hervorgehen muss, dass bei der Entscheidungsfindung eine inhaltliche Auseinandersetzung mit den Kernargumenten stattgefunden hat. Es muss daraus erkennbar sein, dass alle von einem Beteiligten vorgebrachten möglicherweise gegen die Entscheidung sprechenden Argumente tatsächlich widerlegbar sind. Die Kammer berief sich auf T 763/04 und führte aus, dass die bloße Wiedergabe des Vortrags der Parteien insoweit nicht genügt. In T 1997/08 wurde darüber hinaus entschieden, dass Stellungnahmen, die auf Bescheide des Amts hin ergangen sind, berücksichtigt werden müssen.
So hatte beispielsweise in T 420/86 die Einspruchsabteilung ihre Entscheidung auf Umstände gestützt, zu denen sich die Parteien nicht äußern konnten, da erst aus der schriftlichen Begründung hervorging, dass ein weiteres Dokument entscheidungserheblich war.