1. Akteneinsicht
Art. 128 EPÜ regelt die Einsichtnahme in europäische Patentanmeldungen. Art. 128 (1), (2) und (5) EPÜ regelt die Einsichtnahme in Akten vor der Veröffentlichung einer Patentanmeldung (Art. 93 EPÜ). Bis zum Zeitpunkt der Veröffentlichung gilt der Grundsatz der Geheimhaltung einer Patentanmeldung, sodass es sich bei diesen Absätzen um Ausnahmeregelungen handelt. So kann nach Art. 128 (1) EPÜ Akteneinsicht vor der Veröffentlichung gewährt werden, wenn der Anmelder zustimmt oder nach Art. 128 (2) EPÜ ohne Zustimmung des Anmelders, wenn jemand nachweist, dass der Anmelder sich ihm gegenüber auf seine Anmeldung berufen hat.
Art. 128 (3) und (4) EPÜ regelt dagegen die Akteneinsicht nach dem Zeitpunkt der Veröffentlichung. In R. 144 EPÜ sind die nach Art. 128 (4) EPÜ von der Akteneinsicht ausgeschlossenen Aktenteile aufgeführt (s. auch Beschluss der Präsidentin des EPA vom 12. Juli 2007 über von der Akteneinsicht ausgeschlossene Unterlagen (ABl. SA 3/2007, 125), s. dieses Kapitel III.M.1.2.).
Nach J 5/81 (ABl. 1982, 155) legt Art. 128 EPÜ als Endzeitpunkt der vertraulichen Behandlung die Veröffentlichung der Anmeldung und nicht den Ablauf der in Art. 93 (1) EPÜ genannten 18 Monate fest.
Nach J 14/91 (ABl. 1993, 479) liegt eine Berufung auf eine Patentanmeldung gemäß Art. 128 (2) EPÜ vor, wenn sich die Berufung nach ihrem Wortlaut auf eine Erstanmeldung in einem Vertragsstaat bezieht, aber die europäische Nachanmeldung gleichzeitig erwähnt ist. Besteht zwischen dem Anmelder und einem Dritten Streit über dessen Berechtigung zur Akteneinsicht nach Art. 128 (2) EPÜ, so wird über diesen Streit zweckmäßigerweise in einer kurzfristig anberaumten mündlichen Verhandlung entschieden.
In J 27/87 bestätigte die Juristische Kammer die Entscheidung der Eingangsstelle auf Zurückweisung des Antrags nach Art. 128 (2) EPÜ, weil es keinen Beweis dafür gab, dass die Anmelder sich gegenüber den Beschwerdeführern auf ihre Rechte aus der Anmeldung berufen hatten. Die Korrespondenzauszüge, in denen der Vertreter der Anmelder behauptete, dass seine Mandanten eine neue Technologie entwickelt hätten, und die Patentanmeldung erwähnte, wurden nicht als ausreichendes Beweismaterial angesehen.