4.2. Offensichtlichkeit des Fehlers und der Berichtigung
Overview
Ob eine Berichtigung der Beschreibung, der Ansprüche oder der Zeichnungen nach R. 139 Satz 2 EPÜ zulässig ist, ermitteln die Beschwerdekammern in zwei Schritten. Es muss festgestellt werden, dass i) das beim EPA eingereichte Dokument offensichtlich einen Fehler enthält, der für den Fachmann unter Heranziehung des allgemeinen Fachwissens objektiv als solcher zu erkennen ist (G 3/89, ABl. 1993, 117 und G 11/91, ABl. 1993, 125, Nr. 5 der Gründe), und ii) die Berichtigung insofern offensichtlich ist, als sofort erkennbar ist, dass nichts anderes beabsichtigt sein konnte als das, was als Berichtigung vorgeschlagen wird (G 3/89 und G 11/91, Nr. 6 der Gründe). Zu neueren Entscheidungen, in denen dieser zweistufige Ansatz angewandt wurde, siehe z. B. T 923/13, T 1626/16, T 2058/18.
Da das Erweiterungsverbot nach Art. 123 (2) EPÜ auch im Falle einer Berichtigung nach R. 139, Satz 2 EPÜ (G 3/89 und G 11/91, Nr. 1.4 der Gründe) gilt, darf eine Berichtigung der die Offenbarung betreffenden Teile einer europäischen Patentanmeldung oder eines europäischen Patents (der Beschreibung, der Patentansprüche und der Zeichnungen) nach R. 139, Satz 2 EPÜ nur im Rahmen dessen erfolgen, was der Fachmann der Gesamtheit dieser Unterlagen in ihrer ursprünglich eingereichten Fassung unter Heranziehung des allgemeinen Fachwissens – objektiv und bezogen auf den Anmeldetag – unmittelbar und eindeutig entnehmen kann (G 3/89 und G 11/91, Nr. 3 der Gründe).
- T 953/22
Catchword:
An amendment to a figure of the patent as granted may extend the protection conferred by the patent even if the claims and the description remain unamended (see point 3 of the Reasons).
- T 1558/21
Catchword:
1. Entspricht der Antrag, der der Entscheidung der Einspruchsabteilung zugrunde liegt, zum Zeitpunkt der Entscheidung nicht dem Willen einer Partei, so ist diese Partei beschwert und ihre Beschwerde gegen die Entscheidung zulässig (Punkt 1.1 der Entscheidungsgründe). 2. Die Kammer sieht es als erwiesen an, dass die Entscheidung der Einspruchsabteilung nicht auf der beabsichtigten Fassung des Hilfsantrags beruht, die in der mündlichen Verhandlung erörtert wurde. Im vorliegenden Fall hat die Einspruchsabteilung entweder über den falschen Antrag entschieden, der nicht dem Tenor der Entscheidung entspricht, oder aber über einen Antrag, zu dem die Parteien nicht gehört wurden. Beides stellt einen schwerwiegenden Verfahrensmangel dar, und daher ist die Entscheidung aufzuheben (Punkte 3.4 - 3.6 der Entscheidungsgründe). 3. Ein Fehler in einem während der mündlichen Verhandlung eingereichten Anspruchssatz, der Teil einer in der mündlichen Verhandlung verkündeten Entscheidung geworden ist, ist weder einer späteren Korrektur über Regel 140 EPÜ zugänglich, noch über Regel 139 EPÜ, sofern es ihm an der Offensichtlichkeit mangelt (Punkte 5.1 - 5.5 der Entscheidungsgründe).
- Sammlung 2023 “Abstracts of decisions”