1.11.5 Aufnahme von Angaben zum Stand der Technik in die Beschreibung
In T 2321/08 kam die Kammer zu dem Schluss, dass R. 27 (1) b) EPÜ 1973 bzw. R. 42 (1) b) EPÜ den Anmelder nicht streng dazu verpflichtet, bereits zum Zeitpunkt der Einreichung der Anmeldung den ihm bekannten Stand der Technik zu würdigen und die Fundstellen anzugeben, aus denen sich dieser Stand der Technik ergibt. Außerdem gibt es im EPÜ keine Bestimmung, die es verbieten würde, eine Anmeldung dahin gehend zu ändern, dass die Erfordernisse von R. 27 (1) b) EPÜ 1973 bzw. R. 42 (1) b) EPÜ erfüllt werden (bestätigt durch T 1123/09; zitiert in den Richtlinien F‑II, 4.3 – Stand März 2022; s. auch T 2450/17).
In T 11/82 (ABl. 1983, 479) wird ausgeführt, dass die bloße Aufnahme eines Hinweises auf den Stand der Technik in die Beschreibung billigerweise nicht als unzulässige Erweiterung des Gegenstands im Sinne des Art. 123 (2) EPÜ 1973 ausgelegt werden kann. Ob ein Verstoß vorliegt, hängt von der verwendeten Formulierung und den Umständen des Einzelfalls ab.
In T 450/97 (ABl. 1999, 67) bestätigte die Kammer, dass das bloße Nachreichen eines Verweises auf den Stand der Technik nicht gegen Art. 123 (2) EPÜ 1973 verstoße. Nach Beschränkung der Ansprüche, auch im Einspruchsverfahren, müsse ein Dokument, das sich im Nachhinein nicht nur als nächstliegender Stand der Technik, sondern auch als maßgebend für das Verständnis der Erfindung im Sinne von R. 27 (1) b) EPÜ 1973 herausstelle, in die geänderte Beschreibung aufgenommen werden. S. auch T 276/07.
In T 889/93 gab der Beschwerdeführer (Patentanmelder) an, dass der nächstliegende Stand der Technik in zwei Zeichnungen der Anmeldung dargestellt sei. Auf den von der Kammer geäußerten Einwand des Naheliegens erwiderte er, die Zeichnungen gäben den Stand der Technik insofern nicht korrekt wieder, als sie in irreführender Weise zu stark vereinfacht seien. Die Kammer ließ zu, dass die ursprünglich eingereichten Zeichnungen durch verbesserte ersetzt wurden, da dies lediglich eine Ungenauigkeit in der Darstellung des Standes der Technik ausräume und die Offenbarung der Erfindung als solche nicht berührt werde.
In T 471/20 hatte die Kammer zu entscheiden, ob in dieser Sache die Aufnahme eines neuen Absatzes, mit dem ein Dokument des Stands der Technik anerkannt wurde, in die Beschreibung dazu führte, dass der Gegenstand über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinausging. Die Kammer befand, dass der betreffende Absatz keine Definition enthielt, die für die Auslegung der Ansprüche heranzuziehen war, und dass seine Aufnahme dem Fachmann daher keine neuen technischen Informationen bot. Eine Befassung der Großen Beschwerdekammer war für die Entscheidung der Kammer in dieser Sache nicht erforderlich.
Siehe auch T 725/05 (Aufnahme einer Diskussion eines Dokuments aus dem Stand der Technik, die weit über die Offenbarung dieses Dokuments hinausging) und T 452/08 (hinzugefügter Rückbezug auf Stand der Technik definiert Merkmal neu) sowie die Kapitel II.E.1.14.3 und II.E.1.14.4.