1.5.2 Festlegung eines Bereichs durch Isolierung eines Werts aus einem Beispiel
Nach Ansicht der Kammer in T 526/92 darf in einem Fall, in dem Parameterwerte nur in Beispielen (als punktuelle Einzelwerte) angegeben sind und sich die Bedeutung des Parameters aus der ursprünglichen Beschreibung nicht erschließt, nicht willkürlich ein Bereich gebildet werden, der auf der einen Seite offen ist und auf der anderen von einem den Beispielen entstammenden Wert begrenzt wird.
Ähnlich waren in T 1004/01 nach Auffassung der Kammer die als Beispiele herausgegriffenen Laminate und deren Schälstärken nur in einem konkreten technischen Kontext offenbart worden, ohne dass eine Präferenz für den beanspruchten offenen Bereich mit dem als Beispiel herausgegriffenen Parameterwert als Untergrenze (Schälstärke "von mindestens 24 Gramm") ausgedrückt worden wäre.
Entscheidung T 526/92 wurde in T 931/00 (in der auch auf T 201/83, ABl. 1984, 481, verwiesen wurde) angeführt und bestätigt. In T 931/00 wurde durch Auswahl eines einzelnen Werts aus einem Beispiel als Obergrenze ein neuer Parameterbereich gebildet. In dieser Entscheidung stellte die Kammer fest, dass Zahlen in Beispielen zwar unter bestimmten Bedingungen zur Einschränkung eines Bereichs verwendet werden können, der bereits in der ursprünglich eingereichten Anmeldung vorgelegen hatte, nicht jedoch zur Herstellung einer völlig neuen Beziehung zwischen Parametern, die zuvor nie miteinander verbunden gewesen waren. Mit solchen willkürlichen neuen Verbindungen zwischen bestehenden Parametern wird entgegen den Erfordernissen der Art. 123 (2) und Art. 100 c) EPÜ 1973 ein neuer Gegenstand eingeführt.
In T 1146/01 hatte die Kammer zu klären, ob ein einzelner Messwert eines ausgewählten Merkmals bzw. einer ausgewählten Eigenschaft einer Probe, der nur in einem einzigen Beispiel offenbart wurde, für den beanspruchten Gegenstand allgemein ungeachtet der übrigen Parameter derselben Probe und von diesen unabhängig relevant sein kann. Die Kammer grenzte diesen Fall von T 201/83 ab. Der Leser wurde durch die Festlegung eines neuen Bereichs anhand von Einzelwerten, die ausgewählten Beispielen entnommen waren und keine unmittelbare Verbindung zueinander aufwiesen, hingegen mit neuen Informationen konfrontiert, die sich nicht unmittelbar aus dem Wortlaut der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung ableiten ließen.
In T 184/05 stellte die Kammer fest, dass der Konzentrationswert von Verunreinigungen in einem Erzeugnis, der unter spezifischen Verfahrensbedingungen erhalten wurde, nicht streng isoliert von den Beispielen betrachtet werden kann, sofern nicht nachgewiesen wurde, dass dieser Wert nicht über das verwendete Verfahren eng mit spezifischen (nicht offenbarten) Höchstwerten aller anderen Verunreinigungen in dem Erzeugnis verbunden ist. Im vorliegenden Fall traf dies nicht zu.
In T 570/05 lautete die vorgeschlagene Änderung "... die Beschichtung hat eine Dicke von 220 bis 500 nm", wobei die einzige Grundlage im Wortlaut der ursprünglich eingereichten Anmeldung für den niedrigeren Wert von 220 nm in drei Beispielen zu finden war: dieser Wert stellte nirgendwo in den ursprünglich eingereichten Unterlagen den niedrigeren (oder überhaupt irgendeinen) Endpunkt eines Dickebereichs dar. Unter Verweis auf die einschlägige Rechtsprechung, insbesondere auf T 201/83, T 1067/97 und T 714/00 (s. auch Kapitel II.E.1.9. "Zwischenverallgemeinerungen") betreffend das Herausgreifen eines isolierten Merkmals, prüfte die Kammer, ob ein funktioneller oder struktureller Zusammenhang bestand zwischen der Dicke der Beschichtung, insbesondere ihrer Untergrenze, und den übrigen Merkmalen des Anspruchs. Die Kammer schloss, dass das Fehlen eines deutlich erkennbaren funktionellen oder strukturellen Zusammenhangs im vorliegenden Fall nicht erfüllt und die Änderung daher unzulässig war.
In T 517/07 war die neu eingeführte Obergrenze in den ursprünglichen Anmeldeunterlagen lediglich als isolierter Messwert in Beispiel 1 offenbart. Die Kammer entschied, dass durch das Herausgreifen eines einzelnen Messwertes aus einem spezifischen Ausführungsbeispiel und die Verwendung dieses Einzelwertes als neue Obergrenze in Anspruch 1 ein neuer, nunmehr nach oben begrenzter Wertebereich kreiert wurde, der in den ursprünglichen Unterlagen nicht offenbart war.