3.4. Geheimhaltungsverpflichtung
In T 1168/09 wurden zwei Vorbenutzungshandlungen geltend gemacht, nämlich einmal die Lieferung von 170 Steuergeräten ESG 400 und zweitens die Lieferung von 111 143 Steuergeräten ESG 300/600. Zu den Lieferbedingungen war nichts vorgetragen worden, insbesondere, ob eine Geheimhaltung vereinbart worden war oder nicht. Deshalb prüfte die Kammer, ob nach den Umständen der Geschäftsbeziehung zwischen dem Lieferanten und dem Abnehmer eine Geheimhaltungsverpflichtung als stillschweigend vereinbart angenommen werden musste. Eine stillschweigend vereinbarte Geheimhaltungsverpflichtung könne u. a. dann angenommen werden, wenn Geschäftspartner ein gemeinsames Interesse an einer Geheimhaltung haben. Allerdings könne ein solches Interesse nur bis zur Lieferung der Teile für die Serienproduktion angenommen werden, weil ab diesem Zeitpunkt die Teile dazu bestimmt seien, in Fahrzeugen für den Verkauf eingebaut zu werden und damit der Öffentlichkeit zugänglich gemacht zu werden. In anderen Worten ausgedrückt, ab der Lieferung der Teile für die Serienproduktion könne kein gemeinsames Interesse an einer Geheimhaltung mehr angenommen werden (s. T 1512/06). Im vorliegenden Fall befand die Kammer, dass die große Anzahl der gelieferten Steuergeräte gegen die Annahme sprach, dass es sich um Versuchsgeräte gehandelt haben könnte. Deshalb ging die Kammer von der öffentlichen Zugänglichkeit der gelieferten Steuergeräte aus.
In T 1309/07 stellte die Beschwerdekammer fest, dass aus den Unterlagen eindeutig hervorging, dass 17.520 Kolben einer bestimmten Art für einen Verbrennungsmotor vor dem Prioritätstag an Renault geliefert wurden. Es stellte sich die Frage, ob zu dem Zeitpunkt der Lieferung der Kolben eine stillschweigend vereinbarte Geheimhaltungsverpflichtung bestand. Angesichts der hohen Stückzahl und der Tatsache, dass im vorliegenden Fall Kolben dieser Art in einem vorveröffentlichten Ersatzteilkatalog angeboten waren, nahm die Kammer an, dass die Kolben nicht zu Versuchszwecken sondern vielmehr zum normalen Einsatz in der Serienproduktion ausgeliefert worden waren. Ab diesem Zeitpunkt konnte nicht mehr von einer stillschweigend vereinbarten Geheimhaltungsverpflichtung ausgegangen werden.