4.2. Formulierung der objektiven technischen Aufgabe
Gemäß der ständigen Rechtsprechung ist bei der objektiven Ermittlung der erfindungsgemäß gelösten Aufgabe zunächst von der im Streitpatent formulierten Aufgabe auszugehen. Erst wenn die Prüfung ergibt, dass die dort gestellte Aufgabe nicht gelöst ist, oder wenn ein unzutreffender Stand der Technik zur Definition der Aufgabe herangezogen wurde, muss untersucht werden, welche andere Aufgabe objektiv bestand (s. z. B. T 495/91, T 881/92, T 419/93, T 606/99, T 728/01, T 1708/06, T 1146/07, T 1060/11, T 204/16). In T 400/98 musste die im Streitpatent dargelegte technische Aufgabe umformuliert werden, weil sie nicht glaubhaft gelöst wurde.
In T 2341/13 betraf die Erfindung die Hardware-Umsetzung eines Verschachtelers. Die Prüfungsabteilung hatte es für problematisch gehalten, dass die Erfindung laut Anmeldung in einem Kommunikationssystem verwendet werden kann, das auf einem Standard beruht, der weder zum Prioritätstag öffentlich zugänglich noch in der Anmeldung vollständig offenbart war. Die Kammer stellte fest, dass keine Kenntnisse eines Kommunikationsstandards notwendig seien, um die beanspruchte Erfindung auszuführen, und dass es durchaus zulässig sei, die Aufgabe zu stellen, Verschachteler für Rahmengrößen zu erhalten, die kein Vielfaches von 2**(m) seien. Ob die Vorteile solcher Rahmengrößen in der Anmeldung ausreichend offenbart sind, sei nach Auffassung der Kammer irrelevant, sofern nicht vorgebracht werde, dass die bloße Idee, solche Rahmengrößen zu verwenden, erfinderisch sei (was nicht in die Formulierung der Aufgabe einbezogen werden könne).
In T 1861/17 erklärte die Kammer, dass zwar in der Rechtsprechung bisweilen bei der Ermittlung der objektiven technischen Aufgabe zunächst von der im Patent genannten Aufgabe ("subjektive Aufgabe") ausgegangen wird (siehe z.B. T 246/91, T 495/91, T 606/99), dass aber die Formulierung dieser "objektiven Aufgabe" nach ihre Auffassung regelmäßig erst nach Festlegen des nächstliegenden Stands der Technik erfolgen sollte. Nur auf der Basis der Unterscheidungsmerkmale im Vergleich zum nächstliegenden Stand der Technik könne nach dem etablierten Aufgabe-Lösungs-Ansatz überhaupt die objektive technische Aufgabe bestimmt werden (siehe z.B. R 9/14).
In T 1099/16 stellte die Kammer fest, dass die Frage, inwieweit eine neue technische Wirkung, die dem beanspruchten neuen Zweck zugrunde liegt, für die Auslegung des Wortlauts eines Anspruchs "im Patent beschrieben" sein muss, nicht mit Erwägungen darüber zusammenhängt, ob die technische Wirkung im Patent hinreichend glaubhaft oder plausibel beschrieben ist, sondern lediglich damit, ob sie in dem Sinne beschrieben wurde, dass der Fachmann erkennen kann, welche technische Wirkung dem beanspruchten neuen Zweck zugrunde liegt. Die Frage, ob ein technisches Merkmal eines Anspruchs als im Patent beschrieben angesehen werden kann, ist daher im Einzelfall zu entscheiden.
- T 605/20
Catchword:
The undesired phenomena observed in the patent with the use of the prior art compositions would not inevitably manifest themselves upon the practical implementation of the teaching of the prior art. The recognition of the relevance of these phenomena should therefore be considered to form part of the technical contribution described in the patent. A specific reference in the formulation of the objective technical problem to the avoidance of these phenomena risks to unfairly direct development towards the claimed solution, which is not permissible in line with the principles as developed in the established jurisprudence (see reasons section 4.2.3).
- Sammlung 2023 “Abstracts of decisions”