4.4.5 Ermessen nach Artikel 13 (1) VOBK 2020 – neue Anträge
In T 1597/16 lag die Zulassung des vor Inkrafttreten der VOBK 2020 eingereichten neuen Hauptantrags gemäß Art. 13 (1) VOBK 2020 und Art. 13 (1) VOBK 2007 (die aufgrund der Übergangsbestimmungen anstelle von Art. 13(2) VOBK 2020 anwendbar waren) im Ermessen der Kammer. Nach Auffassung der Kammer hatte der Beschwerdegegner keine triftigen Gründe dafür angegeben, dass er diese Anspruchsänderung erst in der Endphase des Beschwerdeverfahrens eingereicht hatte. Er hatte lediglich ausgeführt, die vorläufige Einschätzung der Kammer in der Mitteilung nach Art. 15 (1) VOBK 2007 habe erstmals Veranlassung für den neuen Antrag gegeben, was die Kammer aber nicht überzeugte, da diese Mitteilung keine gänzlich neuen Fragen aufgeworfen hatte, sondern die darin erwähnten Einwände bereits seit der Anfangsphase des Beschwerdeverfahrens bekannt waren. Nichtsdestotrotz entschied die Kammer, den neuen Hauptantrag aus folgenden Gründen in das Verfahren zuzulassen: Durch die vorgenommene Beschränkung des beanspruchten Gegenstandes auf zwei von drei im erteilten Anspruch 1 enthaltenen Alternativen war kein anderer sachlicher bzw. patentrechtlicher Streitgegenstand entstanden. Der Beschwerdeführer (Einsprechende) war sofort in der Lage, einen Einwand mangelnder erfinderischer Tätigkeit zu formulieren, und konnte im Übrigen auf das schriftliche Vorbringen, das dem erstinstanzlichen Vorbringen entsprach, verweisen. Zudem erschien der Kammer der neue Antrag prima facie gewährbar, weil er alle noch offenen Einwände auszuräumen schien, ohne neue Fragen aufzuwerfen. (1)
In T 682/16 reichte der Beschwerdegegner (Patentinhaber) einen neuen Antrag (der später der Hauptantrag wurde) in Reaktion auf die Mitteilung der Kammer nach Art. 15 (1) VOBK 2007 ein, ohne Ausführungen zur Sache vorzulegen. Der Beschwerdeführer gab keine Gründe gegen die Zulassung an. Die Kammer stellte fest, dass der Beschwerdegegner mit der Streichung bestimmter Ansprüche auf sämtliche vom Beschwerdeführer und von der Kammer aufgeworfenen Fragen einging. Der Antrag, der zudem keine neuen Einwände hervorrief und zur Effizienz des Verfahrens beitrug, wurde nach Art. 13 (1) VOBK 2020 (da Art. 13 (2) VOBK 2020 noch nicht galt) zugelassen.
In T 482/19 ließ die Kammer den neuen Antrag, bei dem die Verfahrensansprüche gestrichen worden waren, jedoch nicht zu, da der Beschwerdeführer keine außergewöhnlichen Umstände angab (Art. 13 (2) VOBK 2020). Siehe auch T 2222/15.
In Fällen, in denen der beanspruchte Gegenstand durch Streichungen von Ansprüchen oder Anspruchsalternativen beschränkt wird, ergibt sich die Frage, ob dies überhaupt eine Änderung im Sinne von Art. 13 VOBK 2020 ist. Zu diesbezüglichen Entscheidungen siehe Kapitel V.A.4.2.2.