5.2.2 Verfahren
Dieser Abschnitt wurde aktualisiert, um die Rechtsprechung und Gesetzänderungen bis 31. Dezember 2023 zu berücksichtigen. Die vorherige Version dieses Abschnitts finden Sie in "Rechtsprechung der Beschwerdekammern", 10. Auflage (PDF). |
Nach ständiger Rechtsprechung der Beschwerdekammern ist ein beanspruchter Gegenstand, der mindestens ein nicht unter Art. 52 (2) EPÜ fallendes Merkmal spezifiziert, nach Art. 52 (2) und (3) EPÜ nicht von der Patentierung ausgeschlossen (G 3/08 date: 2010-05-12, ABl. 2011, 10, T 258/03, T 424/03, T 1658/06, T 313/10).
Nach T 258/03 (ABl. 2004, 575) ergibt sich der technische Charakter entweder aus den physischen Merkmalen eines Gegenstands oder (bei einem Verfahren) aus der Verwendung technischer Mittel. In T 258/03 gelangte die Kammer zu der Auffassung, dass jeder Anspruch, der technische Mittel umfasst, dem Patentierungsverbot nach Art. 52 (2) EPÜ entgeht; da ein Anspruch, der auf ein Verfahren zum Betrieb eines Computers gerichtet ist, einen Computer umfasst, kann er nach Art. 52 (2) EPÜ nicht vom Patentschutz ausgeschlossen sein (s. auch G 3/08 date: 2010-05-12). Die Kammer wies darauf hin, dass in früheren Entscheidungen der Beschwerdekammern festgestellt worden sei, durch den Einsatz technischer Mittel könne ein Verfahren für gedankliche Tätigkeiten ganz oder teilweise ohne menschliche Eingriffe durchgeführt werden und dadurch im Hinblick auf Art. 52 (3) EPÜ 1973 zu einem technischen Vorgang oder Verfahren werden, sodass eine Erfindung im Sinne des Art. 52 (1) EPÜ 1973 vorliege (T 38/86, ABl. 1990, 384, T 769/92). Verfahrensschritte, die in der Änderung einer Geschäftsidee bestünden und dazu dienten, eine technische Aufgabe zu umgehen, anstatt sie mit technischen Mitteln zu lösen, könnten jedoch nicht zum technischen Charakter des beanspruchten Gegenstands beitragen.
In T 258/03 stellte die Kammer fest, dass für den technischen Charakter einzig und allein das Vorliegen oder die Verwendung technischer Mittel von Bedeutung ist, unabhängig vom verfolgten Zweck, selbst wenn dieser ganz und gar nichttechnisch ist. Dies gilt unabhängig davon, ob den technischen Mitteln eine technische Wirkung zugeordnet werden kann oder ob sie einen technischen Zweck bzw. eine technische Funktion erfüllen.
Von Bedeutung ist hinsichtlich des Erfindungsbegriffs im Sinne des Art. 52 (1) EPÜ 1973 das Vorliegen eines technischen Charakters, der durch die physikalischen Merkmale eines Gegenstands oder die Natur einer Tätigkeit impliziert oder einer nichttechnischen Tätigkeit durch die Verwendung technischer Mittel verliehen werden kann. Insbesondere ist die Kammer der Auffassung, dass der letzte Fall nicht als Nichterfindung "als solche" im Sinne des Art. 52 (2) und (3) EPÜ 1973 angesehen werden kann. Nach Ansicht der Kammer wären somit Aktivitäten, die unter den Begriff einer Nichterfindung "als solcher" fallen, typischerweise rein abstrakte Konzepte ohne jeglichen technischen Bezug. Der Kammer sei bewusst, dass ihre vergleichsweise breite Auslegung des Begriffs "Erfindung" in Art. 52 (1) EPÜ 1973 auch Tätigkeiten einschließe, die so vertraut seien, dass ihr technischer Charakter leicht übersehen werde, wie etwa das Schreiben mit Stift und Papier. Natürlich bedeute dies aber nicht, dass alle Verfahren, bei denen technische Mittel verwendet würden, patentierbar seien. Auch sie müssten neu sein, eine nicht naheliegende technische Lösung einer technischen Aufgabe darstellen und gewerblich anwendbar sein. Die Folge war, dass T 931/95 (ABl. 2001, 441) in Bezug auf Verfahren durch T 258/03 (Leitsatz 1) ausdrücklich aufgehoben wurde. In T 931/95 führte die Kammer weiter aus, dass die Verwendung technischer Mittel für einen rein nichttechnischen Zweck und/oder für die Verarbeitung rein nichttechnischer Informationen den einzelnen Schritten der Verwendung oder dem Verfahren insgesamt nicht zwangsläufig technischen Charakter verleihe. Das bloße Vorhandensein technischer Merkmale in einem Anspruch mache den Gegenstand des Anspruchs nicht zu einer Erfindung im Sinne des Art. 52 (1) EPÜ 1973.
In T 38/86 (ABl. 1990, 384) führte die Kammer aus, dass der Einsatz technischer Mittel ein Verfahren, das ganz oder teilweise ohne menschliche Eingriffe vonstatten geht und das einem Menschen, der es durchführen will, eine gedankliche Tätigkeit abverlangt, im Hinblick auf Art. 52 (3) EPÜ 1973 zu einem technischen Vorgang oder Verfahren machen kann, sodass eine Erfindung im Sinne des Art. 52 (1) EPÜ 1973 vorliegt.