3. Das Erteilungsstadium des Prüfungsverfahrens
Gemäß Art. 97 (3) EPÜ wird die Entscheidung über die Erteilung des europäischen Patents an dem Tag wirksam, an dem der Hinweis auf die Erteilung im Europäischen Patentblatt bekannt gemacht wird. Der neue Art. 97 (3) EPÜ ist im Wesentlichen mit dem Art. 97 (4) Satz 1 EPÜ 1973 identisch. Die Vorschriften zu dem Zeitraum, der mindestens vergangen sein muss, bevor die Erteilung wirksam werden kann, wurden im Artikel gestrichen. In Anbetracht der Tatsache, dass die übrigen Formerfordernisse für die Erteilung in die Ausführungsordnung überführt werden sollten (s. R. 71 EPÜ), war auch dieser Gegenstand zweckmäßiger auf einer niedrigeren gesetzgeberischen Ebene zu regeln. Art. 97 (6) EPÜ 1973 ist somit überflüssig und wurde deshalb gestrichen.
Nach dem EPÜ 2000 veröffentlicht das Europäische Patentamt gemäß Art. 98 EPÜ die europäische Patentschrift so bald wie möglich nach Bekanntmachung des Hinweises auf die Erteilung des europäischen Patents im Europäischen Patentblatt. Die Angaben zum Inhalt der Patentschrift wurden in die Ausführungsordnung überführt (s. R. 73 (1) EPÜ). Art. 98 EPÜ enthält nun die Formulierung "so bald wie möglich", womit zum Ausdruck gebracht werden soll, dass es aus technischen Gründen nicht immer möglich ist, die Patentschrift am gleichen Tag zu veröffentlichen wie den Hinweis auf die Erteilung.
In T 84/16 erklärte die Kammer mit Verweis auf T 1644/10, dass das EPÜ keine Rechtswirkungen in Bezug auf die Patentschrift vorsehe. Sie hieß folgende Feststellung der Rechtsauskunft Nr. 17/90 (ABl. 1990, 260) gut: "Der Text der Patentschrift hat [...] keinen bindenden Charakter: seine Funktion beschränkt sich darauf, der Öffentlichkeit den Zugang zum Inhalt des erteilten Patents, insbesondere Art und Umfang des Schutzrechts, zu erleichtern."
In J 7/96 (ABl. 1999, 443) schloss sich die Juristische Kammer der Auffassung der erstinstanzlichen Abteilung und des Anmelders nicht an, das Erteilungsverfahren ende an dem Tag, an dem die Prüfungsabteilung nach Art. 97 (2) EPÜ 1973 den Erteilungsbeschluss im Hinblick auf ein europäischen Patents fasse. Es sei zwar richtig, dass der Entscheidungsfindungsprozess der Prüfungsabteilung in Bezug auf die Anmeldung an diesem Tag zum Abschluss kommt. Sowohl das EPA als auch der Anmelder seien hinsichtlich der zur Erteilung vorgesehenen Fassung des Patents, der Ansprüche, der Beschreibung und der Zeichnungen an diese Entscheidung gebunden, und der Gegenstand der Patentfassung werde an diesem Tag rechtskräftig (res judicata). Von diesem Zeitpunkt an könne das EPA seine Entscheidung nicht mehr revidieren und müsse jedes spätere Vorbringen der Beteiligten unberücksichtigt lassen (s. G 12/91, ABl. 1994, 285). Nur sprachliche Fehler, Schreibfehler und offenbare Unrichtigkeiten könnten nach R. 89 EPÜ 1973 später noch berichtigt werden. Somit sei der Tag, an dem der Beschluss zur Erteilung eines europäischen Patents gefasst werde, für das EPA und den Anmelder zweifellos von entscheidender Bedeutung. Die Juristische Kammer erklärte, dass nach Art. 97 (4) EPÜ 1973 die in Art. 97 (2) EPÜ 1973 genannte Entscheidung über die Erteilung eines europäischen Patents erst an dem Tag wirksam wird, an dem im Europäischen Patentblatt auf die Erteilung hingewiesen wird. Von dem Tag dieser Bekanntmachung an gewährt das europäische Patent gemäß Art. 64 (1) EPÜ 1973 seinem Inhaber in jedem Vertragsstaat, für den es erteilt wurde, dieselben Rechte wie ein in diesem Staat erteiltes nationales Patent. Dieser Hinweis bestimmt auch den Zeitpunkt, an dem die Zuständigkeit des EPA endet und das nationale Patentsystem greift; aus dem erteilten Patent wird ein Bündel nationaler Patente. Zudem beginnt an diesem Tag die Einspruchsfrist zu laufen (Art. 99 (1) EPÜ 1973). Somit ist der Tag, an dem der Hinweis über die Patenterteilung bekannt gegeben wird, auch der Tag, an dem die Patenterteilung gegenüber Dritten rechtswirksam wird und der dem Anmelder verliehene Schutzumfang ein für alle Mal durch die nach Art. 98 EPÜ 1973 gleichzeitig herausgegebene Patentschrift festgelegt wird. Während der Zeitspanne zwischen der Entscheidung über die Erteilung des europäischen Patents (Art. 97 (2) EPÜ 1973) und der Bekanntgabe des Hinweises auf seine Erteilung (Art. 97 (4) EPÜ 1973) gilt die Anmeldung als noch vor dem EPA anhängig. Wie die erstinstanzliche Abteilung in ihrer Entscheidung selbst eingeräumt hatte – und was vom Anmelder auch nicht bestritten wurde –, ist es nach ständiger Praxis des EPA in der Zwischenzeit immer noch möglich, in begrenztem Umfang Schritte bezüglich der Anmeldung zu unternehmen. Diese kann zum Beispiel zurückgenommen oder übertragen werden. Anmelder können sogar einzelne Benennungen zurückziehen, wenn sie das wollen. Auch für das EPA bleiben während dieses Zeitraums bestimmte Rechte und Pflichten in Bezug auf das Patent bestehen; so werden zum Beispiel die Jahresgebühren fällig, und die Übertragung von Rechten an dem Patent muss beim EPA eingetragen werden.
In J 23/03 stellte der Beschwerdeführer den Antrag, den irrtümlich angekreuzten Bestimmungsstaat GR in GB zu berichtigen. Nach mehrfachem Briefwechsel hat die Prüfungsabteilung den Berichtigungsantrag mit der Begründung zurückgewiesen, ab der Veröffentlichung des Patents überrage das Interesse der Öffentlichkeit an der Verlässlichkeit der publizierten Angaben dasjenige des Patentinhabers an einer Berichtigung, zumal dieser im Laufe des Verfahrens mehrfach, nämlich nach Zustellung der Formblätter 2004 und 2005, Gelegenheit erhalten habe, die Bestimmungsangaben zu überprüfen. Die Juristische Kammer erklärte, dass R. 88 EPÜ 1973 grundsätzlich keiner Befristung unterliegt und deshalb in jeder Phase des Patenterteilungsverfahrens ein Berichtigungsantrag gestellt werden kann (s. auch J 6/02). Dies gilt auch insoweit, als es, wie vom Beschwerdeführer beantragt, um die Berichtigung einer irrtümlich erfolgten Bestimmungsangabe in den Anmeldeunterlagen geht. Dennoch stellte die Juristische Kammer fest, dass der Beschwerdeführer seinen Antrag auf Berichtigung der Bestimmungsangaben in den Anmeldeunterlagen erst am 29. April 1992 beim EPA gestellt hat. Zu diesem Zeitpunkt war bereits mehr als ein Monat zuvor auf die Erteilung seines Patents im Patentblatt hingewiesen worden. Der Hinweis auf die Patenterteilung hat nach Art. 97 (4) EPÜ 1973 zur Folge, dass die Patenterteilung wirksam und das Patenterteilungsverfahren abgeschlossen ist. Das Verfahren war folglich zu dem Zeitpunkt nicht mehr anhängig, als der Beschwerdeführer seinen Antrag auf Berichtigung gestellt hatte (s. J 7/96, ABl. 1999, 443; J 42/92). Die Anhängigkeit eines Patenterteilungsverfahrens hat die Juristische Kammer jedoch als Voraussetzung für die Stellung eines zulässigen Berichtigungsantrags angesehen. Denn nach diesem Tag zerfällt das einheitlich erteilte europäische Bündelpatent in nationale Patente, für deren Verwaltung in der Folgezeit nicht mehr das EPA, sondern die jeweiligen nationalen Ämter zuständig sind.