1.5.1 Festlegung eines Bereichs durch Kombination von Endpunkten offenbarter Bereiche
In T 925/98 nahm die Kammer die Auffassung des Beschwerdegegners zur Kenntnis, wonach der in Anspruch 1 angegebene Bereich von 30 % bis 50 % gegen Art. 123 (2) EPÜ 1973 verstoße, weil ein solcher Bereich in den ursprünglich eingereichten Unterlagen des Streitpatents nicht offenbart sei, wo lediglich ein allgemeiner Bereich von 30 % bis 60 % und ein bevorzugter Bereich von 35 % bis 50 % genannt seien. Die Kammer stellte aber fest, dass im Falle einer solchen Offenbarung eines allgemeinen wie auch eines bevorzugten Bereichs eine Kombination des offenbarten bevorzugten engeren Bereichs und eines der Teilbereiche, die vor und nach dem engeren Bereich innerhalb des offenbarten Ganzen liegen, nach der ständigen Rechtsprechung der Beschwerdekammern eindeutig aus der ursprünglichen Offenbarung des Streitpatents herleitbar und somit dadurch gestützt ist (s. T 2/81, ABl. 1982, 394; T 201/83, ABl. 1984, 481 und T 53/82; T 571/89; T 656/92; T 522/96 und T 947/96, die sich jeweils auf T 2/81 beziehen). Im vorliegenden Fall deuteten zudem Schaubilder darauf hin, dass der beanspruchte Bereich tatsächlich der effizienteste sei. Auf diese häufig zitierte Entscheidung bzw. deren Grundsätze wurde beispielsweise verwiesen in T 328/10, T 2001/10, T 227/13, T 223/17, T 516/18; s. auch T 1107/06.
In T 249/12 ließ die Kammer die Änderung in einen Bereich von "10 - 50 Masse-%" zu, womit die Obergrenze des weniger bevorzugten breiteren Bereichs (50 Masse-%) und die Untergrenze des am meisten bevorzugten engeren Bereichs (10 Masse-%) kombiniert wurden. Da beide Endpunkte des neuen Bereichs in der ursprünglich eingereichten Fassung der Anmeldung ausdrücklich genannt waren, war der neue Bereich für den Fachmann "eindeutig und unmittelbar erkennbar" (T 2/81), d. h. der Bereich wurde in der ursprünglichen Fassung der Anmeldung unmittelbar und eindeutig offenbart. S. auch T 1143/17 zur Kombination des niedrigeren Endpunkts eines bevorzugten Bereichs mit dem oberen Endpunkt eines stärker bevorzugten Bereichs.
In T 2514/16 erläuterte die Kammer, dass die Kombination von Grenzwerten aus verschiedenen Bevorzugungsebenen zulässig ist, wenn der neue Bereich als für den Fachmann eindeutig und unmittelbar offenbart anzusehen ist (G 2/10, ABl. 2012, 376). Dies hänge davon ab, wie er den geänderten Anspruch verstehen würde und ob er unter Heranziehung des allgemeinen Fachwissens diesen Gegenstand als zumindest implizit in der Anmeldung offenbart ansehen würde, was anhand der konkreten Tatsachenlage von Fall zu Fall beantwortet werden müsse. Im zu beurteilenden Fall war die fragliche Änderung einer Passage der Beschreibung wie ursprünglich eingereicht entnommen, wobei der besonders bevorzugte niedrigere Wert mit dem ganz besonders bevorzugten höheren Wert kombiniert wurde. Diese Änderung war nach Auffassung der Kammer direkt und unmittelbar aus der ursprünglichen Anmeldung zu entnehmen, wobei sie hervorhob, dass es sich vorliegend um eine Einschränkung eines in den ursprünglichen Ansprüchen implizit vorhandenen Parameters handelte, nicht um eine Auswahl aus in der ursprünglichen Offenbarung enthaltenen alternativen Ausführungsformen.
Die Kammer in T 193/17 grenzte den ihr vorliegenden Fall von T 925/98 ab. Sie betonte, dass in T 925/98 der allgemeine und der bevorzugte Bereich in Kombination offenbart waren, weil der unabhängige Anspruch 1 in der ursprünglich eingereichten Fassung einen Grundbereich von 30 bis 60 % offenbarte und der von Anspruch 1 abhängige Anspruch 2 in der ursprünglich eingereichten Fassung einen bevorzugten Bereich von 35 bis 50 % offenbarte. In dem T 193/17 zugrunde liegenden Fall hingegen waren die Endpunkte der beiden beanspruchten Bereiche (hinsichtlich Dicke der Oberflächenbeschichtung und Partikelgröße) in vier verschiedenen abhängigen Ansprüchen in der ursprünglich eingereichten Fassung offenbart, die jeweils ausschließlich von Anspruch 1 abhängig waren. Außerdem wurde in T 925/98 der Bereich eines einzigen Parameters behandelt, während es im vorliegenden Anspruch 1 um die Einführung von zwei Parametern ging.
In T 516/18 offenbarte die Anmeldung in der eingereichten Fassung jeweils zwei alternative Werte für die Ober- und die Untergrenze des betreffenden Bereichs. Die Kammer war der Ansicht, dass der Fachmann unmittelbar und eindeutig die Information erhielt, dass jede der vorgeschlagenen Ober- und Untergrenzen kombiniert werden kann, um einen geeigneten Bereich auszuwählen, unabhängig davon, ob sie als "bevorzugt" oder "bevorzugter" präsentiert worden war. Gemäß der ständigen Rechtsprechung (s. z. B. T 925/98) stellte die Kammer ferner Folgendes fest: Wenn in der ursprünglich eingereichten Anmeldung ein allgemeiner und ein bevorzugter, engerer Bereich offenbart war, ist eine Kombination des engeren Bereichs mit einem der Teilbereiche, die vor und nach dem engeren Bereich innerhalb des offenbarten allgemeinen Bereichs liegen, als unmittelbar und eindeutig aus den ursprünglich offenbarten Bereichen herleitbar anzusehen.