A. Grundsatz des Vertrauensschutzes
In J 15/92 hat die Juristische Beschwerdekammer in Anwendung des Grundsatzes des Vertrauensschutzes Folgendes festgestellt: Bestehen bei einem Antrag Zweifel an seiner wahren Natur (hier war zweifelhaft, ob ein Antrag auf Wiedereinsetzung oder auf Entscheidung vorlag), so ist das EPA verpflichtet, sich beim Antragsteller danach zu erkundigen. In dem hier zugrunde liegenden Fall hätte es genügt, wenn das EPA den Anmelder aufgefordert hätte, den Zweck ihres Antrags anzugeben. Eine vom EPA nach eigenem Gutdünken vorgenommene Zweckbestimmung stellt einen Verstoß dar, der die angefochtene Entscheidung nichtig macht (s. auch J 25/92, J 17/04).
In J 6/08 fügte die Kammer hinzu, dass ein auf die Beseitigung eines Rechtsverlusts i.S.v. R. 69 (1) EPÜ 1973 (R. 112 (1) EPÜ) gerichteter Antrag (auf Entscheidung oder Wiedereinsetzung) einer am objektiv erkennbaren Willen des Antragstellers orientierten und die Besonderheiten des Einzelfalls berücksichtigenden Auslegung durch das EPA bedarf. Bei Zweifeln hat das Amt eine Pflicht zur Aufklärung des wirklichen Willens des Antragstellers und unter Umständen auch eine Hinweispflicht auf bezüglich dieses Antrags etwa noch ausstehende Verfahrenshandlungen (hier Wahrung der Jahresfrist nach Art. 122 (2) EPÜ 1973, jetzt R. 136 (1) EPÜ).
In R 14/10 befand die Große Beschwerdekammer, auch wenn sie sich nicht ausdrücklich auf den Grundsatz des Vertrauensschutzes berief, dass ein Spruchkörper verpflichtet ist, einen Beteiligten vor den Beratungen um Klarstellung zu bitten, wenn sein in der mündlichen Verhandlung gestellter Antrag unklar erscheint. Wenn jedoch die Anträge, so wie sie vor Beendigung der sachlichen Debatte verlesen werden, nicht der Absicht des Antragstellers entsprechen, ist es an ihm, in diesem Augenblick einzugreifen.