2.7.3 Nichterscheinen in der mündlichen Verhandlung vor den Kammern – Artikel 15 (3) VOBK 2020
In T 991/07 entschied die Kammer unter Hinweis auf Art. 15 (3) VOBK 2007 und Art. 12 (2) VOBK 2007 (nunmehr Art. 15 (3) und 12 (3) VOBK 2020), dass sie, ohne den Anspruch des Beschwerdeführers auf rechtliches Gehör (Art. 113 (1) EPÜ) zu verletzen, ihrer Entscheidung Einwände zugrunde legen konnte, die für diesen neu waren, ihm jedoch nicht hatten mitgeteilt werden können, weil er der mündlichen Verhandlung ferngeblieben war. Nach ständiger Rechtsprechung (vgl. z. B. T 823/04 und T 1059/04; s. auch T 1704/06, T 532/09, T 1278/10 – alles Ex-parte-Verfahren) hat ein Beschwerdeführer, der beschließt, nicht an der mündlichen Verhandlung teilzunehmen, gleichwohl hierzu Gelegenheit erhalten, und Art. 113 EPÜ ist somit Genüge getan. Diese Auffassung ist auch deswegen gerechtfertigt, weil ein Beteiligter, der sachliche Änderungen seines Vorbringens einreicht und dann der mündlichen Verhandlung bewusst fernbleibt, um den Erlass einer ihn beschwerenden Entscheidung zu verhindern, gegen den allgemeinen Grundsatz verstößt, wonach sowohl das EPA als auch die Benutzer des europäischen Patentsystems, zu redlichem Verhalten verpflichtet sind (G 2/97). Dies gilt insbesondere in Fällen, in denen der Beschwerdeführer ursprünglich die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragt hatte.
In T 578/14 vertrat die Kammer die Auffassung, dass im vorliegenden Fall der ordnungsgemäß geladenen Beschwerdeführerin, die von sich aus der mündlichen Verhandlung ferngeblieben war, sie nicht in eine vorteilhaftere Lage versetzt werden darf, als wenn sie an der Verhandlung teilgenommen hätte. Ihr bewusstes Fernbleiben kann kein Grund dafür sein, dass die Kammer nicht die Punkte aufgreift, die sie bei Anwesenheit der Beschwerdeführerin angesprochen hätte.
In T 1367/09 hatte die Kammer Art. 84 EPÜ in ihrer Mitteilung nach Art. 15 (1) VOBK 2007 (Art. 15 (1) VOBK 2020) nicht thematisiert, bei der erneuten Prüfung des Falls im Vorfeld der mündlichen Verhandlung aber festgestellt, dass auch auf diesen Artikel eingegangen werden sollte. Der Beschwerdeführer erschien nicht zur mündlichen Verhandlung. In ihrer Entscheidung betonte die Kammer, dass eine Kammermitteilung vorläufigen Charakter hat und nicht erschöpfend sein muss. Neue Gründe für eine Zurückweisung müssen im Allgemeinen in der mündlichen Verhandlung erörtert werden. Erscheint jedoch ein ordnungsgemäß geladener Beschwerdeführer nicht zur anberaumten mündlichen Verhandlung, verwirkt er die Möglichkeit, sich zu neuen Gründen zu äußern, die in der Mitteilung nach Art. 15 (1) VOBK 2007 (Art. 15 (1) VOBK 2020) nicht angeführt waren, für die Entscheidung aber maßgebend sind. In Anbetracht des Grundsatzes der Verfahrensökonomie muss die Kammer ihre Entscheidung nicht aufschieben. In einem solchen Fall verstößt es nicht gegen das rechtliche Gehör (Art. 113 (1) EPÜ), wenn in einer Kammerentscheidung neue Gründe behandelt werden, zu denen der Beschwerdeführer sich nicht geäußert hat.
In T 1000/03 entschied die Kammer, dass der ordnungsgemäß geladene Beschwerdeführer kleine Mängel der Beschreibung in der mündlichen Verhandlung mühelos hätte beseitigen können. Eine Aufschiebung der Entscheidung zu ihrer Beseitigung war nicht geboten (vgl. Art. 15 (3) VOBK 2020). Die Kammer hat sich gemäß Art. 113 (2) EPÜ an die von der Beschwerde führenden Anmelderin vorgelegte Fassung zu halten. Die Beschwerdeführerin hat mit ihrem Nichterscheinen bei der mündlichen Verhandlung das Risiko einer Zurückweisung der Anmeldung auch bei einfach behebbaren Mängeln in Kauf genommen (s. auch das Ex-parte-Verfahren T 1903/06).