5. Nichterscheinen in mündlicher Verhandlung
Laut T 1500/10 geht aus R. 115 (2) EPÜ klar hervor, dass die mündliche Verhandlung selbst dem Anmelder gemäß Art. 113 (1) EPÜ Gelegenheit bietet, sich zu äußern. Der Anmelder entscheidet sich bewusst gegen die Möglichkeit, wenn er der mündlichen Verhandlung ohne triftigen Grund fernbleibt, in der mündlichen Verhandlung zu den dort erhobenen Einwänden Stellung zu nehmen, und hat dann keinen Anspruch auf weitere schriftliche Vorbringen. Als triftige Gründe gelten dieselben Gründe, die auch eine Vertagung der mündlichen Verhandlung rechtfertigen würden (s. dieses Kapitel III.C.6.1.4).
Nach T 1339/14 ist es Zweck der mündlichen Verhandlung, den Beteiligten die Gelegenheit zu geben, sich nicht nur schriftlich, sondern auch mündlich zu äußern und in dieser Form gehört zu werden. Darüber hinaus ermöglicht eine mündliche Verhandlung auch, dass Parteien ihr Vorbringen ändern und gegebenenfalls auf solche Änderungen der Gegenpartei unmittelbar in der mündlichen Verhandlung reagieren. Ein Beteiligter, der nicht an der mündlichen Verhandlung teilnimmt, verzichtet jedoch auf diese Gelegenheit.
In T 1801/17 erklärte die Kammer, dass es keine rechtliche Verpflichtung gibt, an der mündlichen Verhandlung teilzunehmen. Der Patentinhaber war im schriftlichen Einspruchsverfahren auf alle noch bestehenden Einwände eingegangen und hatte Hilfsanträge eingereicht, um die zu diesem Zeitpunkt bestehenden Einwände der unzulässigen Erweiterung auszuräumen. Dies ist ein legitimer Weg, sich gegen einen Einspruch zu verteidigen, und ist kein Indiz für die Absicht, eine erstinstanzliche Entscheidung über den Sachverhalt behindern zu wollen. Mit diesem Vorgehen hatte der Patentinhaber nicht sein Recht verwirkt, sich im Beschwerdeverfahren gegen diejenigen Einwände zu verteidigen, die erst in der mündlichen Verhandlung erhoben worden waren.
Zu der Frage, ob bei freiwilligem Fernbleiben einer Partei von der mündlichen Verhandlung die verkündete Entscheidung zu deren Ungunsten auf in der mündlichen Verhandlung vorgebrachte neue Taschen, Beweismittel und/oder Argumente gestützt werden darf, s. Kapitel III.B.2.7 "Rechtliches Gehör bei Fernbleiben von der mündlichen Verhandlung".