2.4. Zeugenaussagen und Sachverständigengutachten
Im Folgenden geht es um die Beantragung der Anordnung eines unabhängigen Sachverständigengutachtens gemäß Art. 117 (1) e) EPÜ und R. 121 EPÜ durch die Kammer (wobei die nachstehende Rechtsprechung zeigt, dass die Kammern solche Anträge abgelehnt haben). Es geht aber nicht um ein von einem Beteiligten als Beweismittel vorgelegtes Gutachten eines Sachverständigen (der häufigere Fall).
Gemäß T 753/09 ist eine Sachverständigenerklärung nach Art. 117 (1) e) EPÜ nicht einfach nur als Argument, sondern als Beweismittel anzusehen.
Die Einholung eines Sachverständigengutachtens im Sinne von Art. 117 (1) e) EPÜ und R. 121 EPÜ kommt nach der ständigen Rechtsprechung der Beschwerdekammern grundsätzlich nur in Betracht, wenn sich eine Kammer außerstande sieht, über eine Frage ohne technischen Beistand zu entscheiden, da es zuvörderst den Beteiligten obliegt, sich um die erforderlichen Beweismittel zu bemühen (T 1906/17). In T 1906/17 hatte der Beschwerdegegner (Patentinhaber) nicht dargelegt, warum die Anhörung eines unabhängigen Sachverständigen für die Entscheidung der Sache erforderlich sei.
In T 375/00 ersuchte der Einsprechende die Kammer, ein Sachverständigengutachten gemäß Art. 117 (1) e) EPÜ in Auftrag zu geben, worauf die Kammer aber erwiderte, dass sie sich dem Vorwurf der Befangenheit aussetze, wenn sie aktiv nach Sachverständigen suche, die das Anliegen eines der Beteiligten unterstützten. Es sei Sache der Beteiligten, sich um die erforderlichen Beweismittel zu bemühen (T 375/00). Nur wenn sich eine Kammer außerstande sehe, über eine Frage ohne technischen Beistand zu entscheiden, seien Sachverständigenbeweise im Sinne von Art. 117 (1) e) EPÜ angemessen (T 1676/08 unter Verweis auf T 395/91, T 230/92, T 375/00, T 311/01 und T 1907/06). Andere Fälle, in denen ein Antrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens zurückgewiesen wurde: T 1548/08, T 1763/06, T 38/15, T 377/17 (Antrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens abgelehnt (Art. 83 EPÜ - Rechtsfrage), T 471/16.
Auch in der Sache T 443/93 wies die Kammer den Antrag auf ein Sachverständigengutachten ab, der in der mündlichen Verhandlung nach einer Zeugenvernehmung gestellt worden war, weil der Antragsteller diesen Antrag weder rechtzeitig gestellt noch eine besondere Begründung vorgelegt hatte, die einen derartigen Antrag in diesem späten Verfahrensstadium gerechtfertigt hätte. Siehe auch T 8/13.
In T 392/06 beantragte ein Beschwerdegegner (Einsprechender) in der mündlichen Verhandlung aufgrund der widersprüchlichen Versuchsergebnisse des Beschwerdeführers (Patentinhabers) und der Beschwerdegegner (Einsprechenden) die Bestellung eines unabhängigen technischen Sachverständigen. Die Kammer sehe keinen Grund, das Defizit der Beschwerdegegner bei der Vorlage von Beweismitteln zur Stützung ihres Einwands mangelnder Neuheit dadurch auszugleichen, dass sie einen unabhängigen Sachverständigen zulasse. Zudem hätte die Beauftragung eines unabhängigen Sachverständigen eine Verlegung der mündlichen Verhandlung erforderlich gemacht, was gegen Art. 13 (3) VOBK 2007 verstoßen hätte (vgl. das obiter dictum in der Sache T 998/04, auf die ebenfalls unter Kapitel III.G.5.1.1 zur Beweislast eingegangen wird).