3.4. Geheimhaltungsverpflichtung
In T 906/01 handelte es sich bei der angeblichen offenkundigen Vorbenutzung um eine Operation, bei der einem Patienten ein Korrektursystem implantiert wurde. Hier bestanden Zweifel, welches I.-Spinalsystem tatsächlich implantiert wurde. Die Kammer befand, dass eine Vorrichtung im Erprobungsstatus, die im begrenzten Rahmen eines Krankenhauses unter der Verantwortung eines Chirurgen implantiert und getestet wird, der auf der Grundlage einer Forschungsvereinbarung mit einer Geheimhaltungsklausel handelt, als Prototyp zu betrachten ist. Die Entwicklungs- und Testphasen solcher Erzeugnisse oder Vorrichtungen unterliegen in der Regel so lange der Geheimhaltung, bis diese abgenommen und auf den Markt gebracht worden sind (s. auch T 818/93). Die Kammer folgte der Entscheidung T 152/03 dahin gehend, dass auf diesem Gebiet die Prima-facie-Vermutung besteht, dass an einem medizinischen Verfahren beteiligte Personen aufgrund des Erfordernisses der ärztlichen Schweigepflicht sowie der Notwendigkeit, die Entwicklung und den Test von Prototypen zu schützen, zur Geheimhaltung verpflichtet sind, und dass jeder Nachweis des Gegenteils wichtig und baldmöglichst vorzulegen ist.
T 239/16 betraf die öffentliche Verfügbarkeit von Unterlagen zu klinischen Versuchen. Die Kammer kam zu dem Schluss, dass der Inhalt des Dokuments (55) Personen zugänglich gemacht wurde, die weder an eine Geheimhaltungsvereinbarung gebunden waren noch in einem besonderen Verhältnis zum Sponsor der Studie standen. Das Dokument (55) offenbarte jedoch nicht unmittelbar und eindeutig die wirksame Behandlung von Osteoporose, wie sie in den unabhängigen Ansprüchen des Hauptantrags definiert ist.
Der Verkauf eines Produkts zu kommerziellen Zwecken ist mit dem Konzept einer implizierten Geheimhaltungsverpflichtung nicht vereinbar. Die Kammer in T 505/15 stellte fest, dass T 152/03 und T 906/01 auf eine Prima-facie-Vermutung verwiesen, der zufolge an einem medizinischen Verfahren beteiligte Personen zur Geheimhaltung verpflichtet sind, weil die Notwendigkeit besteht, die ärztliche Schweigepflicht zu wahren und die Entwicklung und das Testen von Prototypen zu schützen. T 505/15 war insofern anders, als die Vorbenutzung in einem kommerziellen Kontext erfolgte. Die Kammer kam zu dem Schluss, dass keine Geheimhaltungsverpflichtung bestand.
- T 670/20
Catchword:
The clinical trials were carried out in accordance with the EMEA Guidelines for Good Clinical Practice. These guidelines explicitly require adherence to the prescribed protocol and assurance of drug accountability. This set-up of the trials implies that the patients who decided to participate in the trials agreed, following their informed consent, to use the provided medication according to instruction or to return the unused medication. Accordingly, the participating patients who were provided with the tablets under investigation entered into a special relationship with the investigators of the trials and were with regard to the provided tablets not members of the public that could freely dispose over these tablets. (see section 4.3)
- Sammlung 2023 “Abstracts of decisions”