3.3. Rechtliches Gehör
Bei der Würdigung von Beweismitteln zu Neuheit oder erfinderischer Tätigkeit gilt es zu unterscheiden zwischen einer Druckschrift, die als Stand der Technik nach Art. 54 (2) EPÜ vorgelegt wird, und einer Druckschrift, die selbst nicht zum Stand der Technik gehört, aber als Beweismittel für den Stand der Technik oder zur Stützung einer anderen Tatsachenbehauptung in Bezug auf Neuheit oder erfinderische Tätigkeit vorgelegt wird (T 1110/03, ABl. 2005, 302). Im ersten Fall ist die Druckschrift ein direktes Beweismittel aus dem Stand der Technik und kann in ihrer Eigenschaft als Teil des Stands der Technik in der Regel nur bezüglich ihrer Echtheit infrage gestellt werden. Im zweiten Fall ist die Druckschrift ebenfalls ein Beweismittel, aber nur auf indirekte Weise, weil sie die Grundlage für eine Schlussfolgerung – z. B. zum Stand der Technik, zum allgemeinen Fachwissen, zur Frage der Auslegung oder zum Vorliegen eines technischen Vorurteils – bildet, die bezüglich ihrer Plausibilität infrage gestellt werden kann. Nur eine Druckschrift der ersten Kategorie kann allein aus dem Grund unberücksichtigt bleiben, dass sie eine Nachveröffentlichung ist. Bei Dokumenten der zweiten Kategorie ist der Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung – auch wenn es um Neuheit oder erfinderische Tätigkeit geht – dafür nicht das entscheidende Kriterium. Wenn man indirekte Beweismittel unberücksichtigt lässt, werden dem betroffenen Beteiligten grundlegende verfahrensrechtliche Ansprüche vorenthalten, die in den Vertragsstaaten allgemein anerkannt und in Art. 117 (1) und Art. 113 (1) EPÜ verankert sind (T 1110/03, angeführt in T 1797/09, T 419/12 und jüngst in T 2508/17, T 504/14, T 1436/17)