R. Kostenverteilung
Art. 104 (1) EPÜ sieht vor, dass im Einspruchsverfahren jeder Beteiligte die ihm erwachsenen Kosten grundsätzlich selbst trägt. Die Einspruchsabteilung oder die Beschwerdekammer können allerdings eine anderweitige Verteilung der durch eine mündliche Verhandlung oder eine Beweisaufnahme verursachten Kosten anordnen, wenn und soweit dies der Billigkeit entspricht. Einschlägig für das Beschwerdeverfahren ist auch Art. 16 (1) VOBK 2020, der vorbehaltlich Art. 104 (1) EPÜ die Anordnung einer anderweitigen Kostenverteilung durch die Kammer vorsieht. Darin sind typische Fälle aufgeführt, in denen Kosten entstehen durch a) Änderungen eines Beteiligten im Beschwerdeverfahren nach Art. 13 VOBK 2020, b) eine Fristverlängerung, c) Handlungen oder Unterlassungen, die die rechtzeitige und effiziente Durchführung einer mündlichen Verhandlung beeinträchtigen, d) Nichtbeachtung einer Anweisung der Kammer oder e) Verfahrensmissbrauch.
In T 133/06 fügte die Kammer hinzu, dass Art. 104 EPÜ zu den Verfahrensvorschriften gehört. Es gelte deshalb der allgemeine Rechtsgrundsatz, dass neues Verfahrensrecht sofort, aber nicht rückwirkend anwendbar ist, sofern nichts anderes vorgesehen ist. Deshalb muss die Kammer bei der Entscheidung, ob der neue Art. 104 EPÜ in einem unter der Geltung des EPÜ 1973 eingeleiteten Beschwerdeverfahren anwendbar ist, neben der Tatsache, dass der neue Art. 104 EPÜ den Übergangsbestimmungen zufolge (s. Beschluss des Verwaltungsrats vom 28. Juni 2001, ABl. SA 1/2007, 197) auf bereits erteilte Patente Anwendung findet, auch den Zeitpunkt des Ereignisses berücksichtigen, das die Anwendung dieses Artikels nach sich zieht. Nur so kann die neue Verfahrensvorschrift sofort zur Anwendung gebracht werden, ohne ihr Rückwirkung zu verleihen.
Laut den Beschwerdekammern bezieht sich der Begriff "Beweisaufnahme" in Art. 104 (1) EPÜ 1973 – der aber in Art. 104 EPÜ nicht mehr verwendet wird – ganz allgemein auf die Entgegennahme von Beweismitteln durch die Einspruchsabteilung oder die Beschwerdekammer (T 117/86, ABl. 1989, 401; T 101/87, T 416/87, T 323/89, ABl. 1992, 169; T 596/89, T 719/93, in der auf Art. 117 EPÜ 1973 verwiesen wird).
In T 66/18 entschied die Kammer, dass der Anwendungsbereich des Art. 104(1) EPÜ auf solche kontradiktorischen Verfahren wie das Einspruchs-verfahren beschränkt ist. Ein mutmaßlicher Missbrauch, der während des Prüfungsverfahrens, also vor und nicht während des Einspruchsverfahrens stattgefunden hat fällt nicht unter Art. 104(1) EPÜ. Darüber hinaus stellte die Kammer fest, dass die Möglichkeit der Kostenverteilung in der Rechtsprechung nicht als Bußgeld, sondern vielmehr als Möglichkeit wahrgenommen wird, zumindest einen teilweisen Schadenersatz zu gewähren, für Handlungen im Einspruchsverfahren, die nicht mit der zu fordernden Sorgfalt im Einklang stehen.