1.3.4 Nicht implizit offenbarte Gegenstände
In T 329/99 stellte die Kammer fest, dass klar danach unterschieden werden müsse, ob eine bestimmte Ausführungsform in einer Anmeldung explizit oder implizit offenbart werde, und/oder ob diese Ausführungsform lediglich durch die Offenbarung der Anmeldung nahegelegt werde (bezieht sich auf T 823/96; s. auch T 1171/08). Eine bestimmte technische Ausführungsart könnte durch den Inhalt einer Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung nahegelegt werden, ohne dass sie jedoch zu ihrer expliziten oder impliziten Offenbarung gehört und damit als brauchbare Grundlage für Änderungen dient, die die Erfordernisse des Art. 123 (2) EPÜ 1973 erfüllen.
In T 598/12 hatte die Kammer zu prüfen, ob der Fachmann unter Heranziehung seines allgemeinen Fachwissens die zusätzliche technische Information, die die Ansprüche nach ihrer Änderung umfassten, als in der ursprünglich eingereichten Fassung der Stammanmeldung unmittelbar und eindeutig implizit offenbart ansehen würde. Die Kammer betonte, dass es nicht darum gehe, zu ermitteln, ob diese technische Information dem Stand der Technik auf dem betreffenden Gebiet entnommen werden könne. Zu prüfen sei, ob der fiktive, auf dem Gebiet tätige Fachmann etwas im Lichte dieses allgemeinen Fachwissens als unmittelbar und eindeutig offenbart ansehen würde. Die Kammer rief in Erinnerung, dass bei der Bestimmung der in einer Anmeldung implizit offenbarten Information nicht über die unmittelbaren und eindeutigen Folgerungen hinausgegangen werden dürfe, die der Fachmann aus der expliziten Offenbarung im betreffenden Fall objektiv ziehen würde. Außerdem dürfe das allgemeine Fachwissen nicht dazu verwendet werden, den tatsächlichen Inhalt der Patentschrift bei dieser Beurteilung in subjektiver oder künstlicher Weise zu erweitern oder zu ersetzen. Die Bestimmung des tatsächlichen Offenbarungsgehalts einer Patentanmeldung in der eingereichten Fassung dürfe nicht zu einer Prüfung auf Naheliegen oder zur Suche nach naheliegenden Alternativen der tatsächlichen Offenbarung anhand von allgemeinen Dokumenten des Stands der Technik werden. S. auch T 3035/19.
Unter Verweis auf T 598/12 bestätigte die Kammer in T 2489/13, dass das Kriterium, ob Alternativen auf dem betreffenden Fachgebiet allgemein bekannt seien, kein geeigneter Ansatz zur Bestimmung einer zumindest impliziten Offenbarung sei.