2. Formale Erfordernisse
Nach der Mitteilung des EPA vom 5. Juli 2017 über die Einreichung und Bearbeitung von Einwendungen Dritter (ABl. 2017, A86) können Einwendungen anonym eingereicht werden.
Im Inter-partes-Verfahren T 735/04 wurde die Entgegenhaltung D6, eine Patentanmeldung eines der Patentinhaber, in einer anonymen Einwendung eines Dritten angeführt. Da D6 für die Patentierbarkeit des beanspruchten Gegenstands hoch relevant war und einen Widerruf des Patents begründen konnte, wurde das Dokument in das Verfahren eingeführt.
In T 146/07 gingen zu einem sehr späten Zeitpunkt anonyme Einwendungen Dritter ein. Da nach R. 114 (1) EPÜ Einwendungen Dritter schriftlich einzureichen sind, befand die Kammer, dass dieses Erfordernis impliziere, dass die Einwendungen zu unterzeichnen seien (R. 50 (3) und 86 EPÜ), sodass der Dritte identifiziert werden könne. Die Identifikation sei im Einspruchsverfahren besonders wichtig, damit die zuständige Stelle des EPA prüfen könne, ob die Einwendungen tatsächlich von einem Dritten eingereicht wurden und nicht von einem Verfahrensbeteiligten. Anderenfalls könne ein Beteiligter in Versuchung geraten, späte Einwendungen und/oder Unterlagen als anonyme Einwendungen Dritter einzureichen, um negative Verfahrensfolgen wie eine Kostenverteilung zu vermeiden. Die Kammer sei sich darüber im Klaren, dass anonym eingereichte Einwendungen Dritter dennoch von einem Verfahrensbeteiligten als seine eigenen übernommen werden könnten oder sogar Einwände der zuständigen Stelle des EPA von Amts wegen auslösen könnten (s. oben T 735/04). In Ermangelung einer solchen weiteren Verfahrenshandlung seien anonyme Einwendungen Dritter jedoch nicht zu berücksichtigen. Diese Sicht stehe im Einklang mit den Entscheidungen G 1/03 und G 2/03 (ABl. 2004, 413 und 448), worin die Große Beschwerdekammer eine anonym eingereichte Stellungnahme nicht berücksichtigt habe. In T 1439/09 und T 1635/15 schloss sich die Kammer dieser Argumentation an. Daher galten die nach Art. 115 EPÜ eingereichten anonymen Einwendungen als nicht eingereicht und wurden von der Kammer nicht berücksichtigt.
Im Hinblick auf diese Rechtsprechung wies die Kammer in T 1756/11 darauf hin, dass anonyme Einwendungen eines Dritten zum sehr späten Stand des Einspruchsbeschwerdeverfahrens formal nicht berücksichtigt werden sollten, um versteckten Verfahrensmissbrauch seitens beteiligter Parteien auszuschließen. Auch in T 1181/12, T 379/13 und T 345/15 berücksichtigte die Kammer die erst im Beschwerdeverfahren eingereichten anonymen Einwendungen eines Dritten nicht.
In T 1336/09 kam die Kammer hingegen zu dem Schluss, dass in diesem Ex-parte-Verfahren die Anonymität der Einwendungen Dritter deren Zulassung im Verfahren nicht entgegenstünde. Sie verwies auf frühere Entscheidungen der Kammern, worin solche Einwendungen ohne ersichtliche Zweifel betreffend ihre Anonymität zugelassen worden seien (T 735/04, T 258/05). Im Gegensatz zum vorliegenden Fall sei es in T 146/07 um eine Inter-partes-Beschwerde gegangen. Die Kammer befand, dass in Ex-parte-Verfahren der Anmelder hingegen der einzige Beteiligte sei und jederzeit neue Punkte oder neuen Stand der Technik vorbringen könne – und gleiches gelte für die Kammer von Amts wegen nach Art. 114 (1) EPÜ. Entsprechend könne das Risiko weitgehend ausgeschlossen werden, dass anonyme Einwendungen Dritter dazu dienen könnten, einen Verfahrensmissbrauch zu kaschieren.